Julia-Weihnachten Band 23
denn, ich halte dich von der Arbeit ab.“
Alec schüttelte den Kopf. „Ich bin Architekt“, antwortete er, als erklärte das alles.
Clemmie war ehrlich überrascht. Nie und nimmer hätte sie damit gerechnet, dass Alec diesen Beruf ergreifen würde. Architekten waren in ihren Augen schlanke Schöngeister mit blassen Gesichtern, die Tee aus zarten Porzellantassen tranken – keine kernig aussehenden Männer mit zerzaustem Haar und in alten Jeans. „Also hast du die Farm deiner Eltern nicht übernommen?“
„Nein, meine Eltern haben die Farm schon vor Jahren aufgegeben und sich ein Haus in Spanien gekauft. Das Klima dort bekommt ihnen besser. Und Kühe zu melken ist nie meine Vorstellung von Spaß gewesen. Als Architekt habe ich den Vorteil, dass ich von zu Hause aus arbeiten und mir die Zeit frei einteilen kann.“
„Du Glücklicher“, entfuhr es Clemmie, und sie biss sich erschrocken auf die Unterlippe. Sie wünschte sich inständig, sie könnte die Worte zurücknehmen. Herrje, Alec war ein Witwer mit Kind! Wie konnte sie da von Glück sprechen?
Er bemerkte ihr Unbehagen und kniff die Augen leicht zusammen. Seine Stimme klang beinahe freundlich, als er sie bat: „Komm herein. Hier entlang.“
Sie folgte ihm durch einen Flur, der vollgestopft war mit zahlreichen interessanten Gegenständen: Da waren kostbare Ölgemälde, eine geschnitzte Truhe, eine Ritterrüstung … Viel zu wahllos und unordentlich für das Haus eines Architekten, dachte Clemmie.
Alec führte sie in ein helles Wohnzimmer, das diesen Namen kaum verdiente. Es wirkte fast schon keimfrei, so als hätte niemand je darin gewohnt. Die Wände waren schneeweiß gestrichen, und die Metalllampen hätten besser in einen Operationssaal gepasst. Dies war der sauberste, seelenloseste Raum, den Clemmie jemals gesehen hatte. Sie hätte ihren letzten Penny darauf gewettet, dass noch nie jemand vor dem eleganten, aber wenig einladenden Marmorkamin gesessen hatte.
So ein Zimmer machte sich gut in Zeitschriften zum Thema schöner Wohnen, hatte jedoch nichts mit einem gemütlichen Zuhause zu tun. Mit den beiden eisblauen Ledersofas, die sich gegenüberstanden, wirkte es eher wie der Schauplatz für ein Fernsehinterview.
Abgesehen von einigen Fotos war der Raum beinahe leer. Ein Schauder überlief Clemmie, als ihr auffiel, wie viele Aufnahmen es waren. Und alle zeigten Alison – die ewig junge, bildhübsche Alison.
Ihr Herz zog sich schmerzlich zusammen. Dies war das Letzte, was sie erwartet hatte. Alles wirkte so abweisend. Auch auf Alecs kühles, wachsames Verhalten war sie nicht gefasst gewesen. Bei ihrer Begegnung eine Woche zuvor hatten sofort die Funken gesprüht, als er mit ihr gestritten und sie berührt hatte. Heute war alles anders.
Clemmie betrachtete eines der Bilder und räusperte sich leise. Ihr Hals fühlte sich plötzlich wie ausgetrocknet an. „Ich wollte dir nur sagen, wie leid es mir tut, dass Alison gestorben ist“, stieß sie hervor.
„Ich bitte dich!“ Ungeduldig schüttelte Alec den Kopf.
Clemmie sah ihn fragend an. „Was …?“
„Lüg mich bitte nicht an, Clemmie“, unterbrach er sie leise.
„Wieso sollte ich dich anlügen?“ Verwirrt schaute sie ihn an.
Er runzelte die Stirn. „Na, hör mal. Das ist doch offensichtlich.“
„Nicht für mich.“
„Du hast Alison nie gemocht. Weshalb sollte ihr Tod etwas daran geändert haben? Alison war dir im Weg. Du wolltest mich für dich allein, Clemmie. Um jeden Preis. Du hast mich immer gewollt. Das habe ich vor vielen Jahren mit einem einzigen Blick in deine Augen erkannt. Und letzte Woche in deinem Haus lag dieser Ausdruck wieder darin. Und ich wollte dich ebenfalls“, schloss er mit einem bitteren Unterton in der Stimme.
Clemmie zwang sich, vernünftig zu bleiben. Sie konnte nicht gleich aus der Haut fahren, bloß weil jemand etwas sagte, das sie nicht hören wollte. Schließlich war sie kein Schulmädchen mehr. Vielleicht war Alecs Kummer einfach noch zu frisch. Obwohl seine Kritik an ihrem Verhalten durchaus berechtigt war, ging sie ihr dennoch sehr zu Herzen.
„Okay, ich wollte dich“, gab sie zu und klang ruhiger, als sie sich fühlte. „Na und? Wir sind Teenager gewesen – das war nichts als eine Schwärmerei, die etwas aus den Fugen geraten ist. Oder glaubst du etwa, ich hätte die letzten zwölf Jahre damit verbracht, mir diese Szene im Klassenzimmer ständig in Erinnerung zu rufen?“
Alecs Augen blitzten wie die ersten Flammen eines Feuers. „Willst
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