JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
„Du siehst fantastisch aus. Rocco wird nicht wissen, wie ihm geschieht.“
Dafür weiß er jetzt genau, was vor unserem hitzigen Telefongespräch geschehen war, dachte Amber kläglich. Sie hatten beide versagt. Keiner hatte dem anderen seine tiefsten Ängste gestanden. Sie war an jenem ersten Abend in London ziemlich hart zu Rocco gewesen. Trotzdem wunderte es sie, dass ein so selbstsicherer und erfolgreicher Mann wie er den hässlichen Verdacht haben könnte, dass sie ihn nur wegen Freddys Zukunft und ihrer eigenen Sicherheit heiraten wollte. Offensichtlich hatte sie unbewusst angenommen, dass Rocco ahnte, wie sehr sie ihn noch immer liebte. Jetzt wurde ihr klar, dass dies nicht der Fall gewesen war und dass er unter derselben Unsicherheit gelitten hatte wie sie. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus bei dieser Erkenntnis.
Die Kirche lag in einiger Entfernung unmittelbar vor den Toren Londons. Rocco hat einen sehr ungünstigen Ort für unsere Hochzeit gewählt, dachte Amber. Sie selber war an den Vorbereitungen nicht im Geringsten beteiligt gewesen. Rocco hatte ihr versichert, dass alles bestens geregelt wäre. Ihr wäre es zwar lieber gewesen, wenn er sie über den Ablauf unterrichtet hätte, hatte aber absichtlich keine Fragen gestellt.
Endlich hielt der Rolls-Royce vor einer entzückenden ländlichen Kirche. Etliche Wagen parkten in der Nähe. Amber stieg aus und bemerkte, dass ihr Erscheinen und jeder ihrer Schritte in die Kirche von zahlreichen Fotografen festgehalten wurde. Die Presse?, dachte sie verblüfft. Dann blickte sie den Gang hinauf und entdeckte Rocco, der am Altar auf sie wartete, und alles andere spielte keine Rolle mehr. Da stand er mit einer sagenhaft männlichen Ausstrahlung, und ihr Herz begann zu rasen. Sie hatte Rocco großzügig die Freiheit zurückgeben wollen. Aber sie war unendlich dankbar, dass er ihr Angebot ausgeschlagen hatte.
Rocco blickte ihr mit glühenden Augen fasziniert entgegen, während sie langsam den Gang hinaufschritt. Es war alles andere als das kühle, disziplinierte Verhalten eines Bräutigams. Doch sie liebte diesen eindringlichen Blick. Rocco brauchte nichts zu sagen, sie wusste, dass sie fantastisch aussah. Vor dem Altar ergriff er ihre Hand. Sie war so glücklich, dass ihre Augen ein wenig brannten. Die schlichten Worte des Ehegelöbnisses klangen wunderschön in ihren Ohren. Freddy stieß dagegen ein wütendes Geheul aus, als seine Mutter und sein Vater aus seinem Blickfeld verschwanden, um sich in das Heiratsregister einzutragen. Amber eilte zurück, hob ihren verängstigten Sohn von den Knien seines Kindermädchens und nahm ihn kurzerhand mit.
„Du bist unglaublich schön“, versicherte Rocco ihr, nahm ihr Freddy ab und drückte ihn tröstend an seine Brust. Freddy, der wieder dort war, wo er seiner Meinung nach hingehörte – in den Mittelpunkt des Geschehens –, lächelte glücklich.
Unzählige Fotos wurden auf den Kirchenstufen aufgenommen. Dann führte Rocco seine frisch angetraute Frau zu der wartenden Limousine.
Amber drehte sich neugierig zu ihm. „Meinst du, du könntest mir jetzt sagen, wo unser Empfang stattfinden wird?“
„In Wychwood House.“
Sie sah ihn nachdenklich an. „Diesen Namen habe ich schon einmal irgendwo gehört.“
„Ich werde deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.“ Roccos Mundwinkel zuckten vergnügt. „Erinnerst du dich, dass du immer den Immobilienteil der Sonntagszeitungen bei mir durchgesehen hast?“
Eine leichte Röte überzog Ambers Gesicht. Doch sie tat, als wüsste sie nicht, wovon er redete, und runzelte scheinbar verblüfft die Stirn. „Nein …“
„Noch keine Stunde verheiratet, und schon lügst du mich an“, zog Rocco sie belustigt auf. „Glaubst du, ich hätte nicht gemerkt, wie gern du die Hausangebote durchgesehen hast, während ich mich mit den Wirtschaftsnachrichten befasste?“
Amber kam es vor, als hätte er ein peinliches Geheimnis von ihr aufgedeckt, und verteidigte sich trotzig. „Die Immobilienseiten durchzublättern ist doch kein Verbrechen, oder?“
„Nur durchzublättern?“ Rocco warf seinen schönen Kopf zurück und lachte laut angesichts ihrer Untertreibung. „Du hast im siebten Himmel geschwebt, während du die Angebote studiertest. Als du schließlich eine ganze Seite herausrissest, wäre ich jede Wette eingegangen, dass du dein Traumhaus gefunden hattest.“
Plötzlich fiel Amber alles wieder ein. Sie hatte diese besondere Seite
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