JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
ging zurück in die Küche. „Was macht ihr beide denn da“, rief sie kurz darauf von der Küchentür, als wäre sie eben hereingekommen. Auch wenn ihr übel war, schaffte sie es, ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben. Ganz egal, was auch passiert sein mochte, sie würde am Geburtstag ihres Vaters sicher keine Szene machen. „Wir warten schon sehnsüchtig auf unseren Kaffee.“
Bram kam aus dem Vorratsraum. Hätte Sophie es nicht besser gewusst, hätte sie schwören können, dass Erleichterung auf seiner Miene lag. „Ist schon unterwegs“, meinte er fröhlich. „Wir haben nur alles in den Geschirrspüler geräumt.“
„Entschuldige, dass es so lang gedauert hat.“ Melissa war neben ihm aufgetaucht. Sie sah aus, als ob sie geweint hätte. „Bringt ihr beide den Kaffee schon mal rein“, sagte sie. „Ich brauche noch eine Minute.“ Sie verschwand nach oben, wohl um die Tränenspuren zu beseitigen.
Ohne Bram anzusehen, nahm Sophie die Kanne mit Kaffee und trug sie ins Esszimmer. Sie musste unbedingt mit ihm reden, um herauszufinden, was da zwischen ihm und Melissa vor sich ging – aber wann? Am liebsten wäre sie mit ihm nach Haw Gill zurückgekehrt, doch ihre Mutter war unerbittlich.
„Du bleibst heute Nacht hier, Sophie. Morgen früh ist noch so viel zu tun. Außerdem bringt es Unglück, wenn man den Bräutigam noch vor der Kirche sieht.“
Also musste Sophie sich vor allen anderen von ihm verabschieden. Bram zögerte einen Moment und sah sie an, ehe er ihr einen fast flüchtigen Kuss gab. „Komm nicht zu spät morgen“, war alles, was er sagte.
Es war seltsam, wieder in ihrem alten Zimmer zu sein, während ihr Hochzeitskleid an der Tür hing. Mit offenen Augen lag Sophie unter der wärmenden Bettdecke und wünschte sich, Bram wäre da, damit sie sich an ihm festhalten könnte. Wenn sie in seinen Armen lag, fühlte sie sich sicher. Doch allein wusste sie nicht mehr, ob sie das Richtige tun würde.
Die ganze Nacht wälzte Sophie sich hin und her. Sie wollte Bram heiraten und für immer mit ihm zusammen sein, aber sie wünschte sich so sehr, dass er sie liebte. Wie konnte sie ihn heiraten, wenn er sich immer noch nach Melissa sehnte? Er hatte es zwar abgestritten, aber das, was sie abends gehört und gesehen hatte, sprach dagegen. Es hatte so geklungen, als ob Melissa ihre Meinung geändert hätte und Bram schließlich doch noch die Frau bekommen könnte, die er wirklich liebte.
Wenn Bram eine Chance bekam, einen Neuanfang mit Melissa zu machen, durfte sie ihm dann im Weg stehen?
Am nächsten Morgen sah Sophie abgespannt und verstört aus. Sie schaffte es, ihr Hochzeitskleid anzuziehen, doch ihr Spiegelbild zeigte ihr, dass der elfenbeinfarbene Stoff sie blass und müde erscheinen ließ. Umso schmerzhafter war es, dass Melissa sich mit ihrer strahlenden Schönheit umso stärker von ihr abhob.
Von Melissas Nervosität am gestrigen Abend war nichts mehr zu spüren. Ruhig half sie ihrer Schwester, das Kleid anzuziehen und ihr Haar aufzustecken, was Sophie nur noch mehr verwirrte. Melissa würde doch sicher nicht so freundlich zu ihr sein, wenn ihre Schwester den Mann heiratete, den sie selbst liebte.
„Glaubst du, dass ich das Richtige tue?“, fragte Sophie ihre Schwester plötzlich.
„Wenn du Bram heiratest?“ Melissa sah verwirrt aus. „Aber natürlich. Ihr seid beste Freunde und kennt euch sehr gut. Wie könnte es nicht das Richtige sein?“
„Aber reicht Freundschaft für eine Ehe?“
„Ich glaube sogar mehr, als dir bewusst ist.“ Melissa zog den Reißverschluss an Sophies Kleid hoch und sah sie ernst im Spiegel an. „Verheiratet zu sein ist nicht so einfach. Leidenschaftliche Liebe allein reicht da nicht.“ Sie zögerte, dann lächelte sie Sophie an. „Aber bei dir wird alles gut gehen. Bram ist ein wunderbarer Mann. Er ist freundlich, liebevoll und beständig – und das zählt mehr als alles andere.“ Schnell wandte sie den Blick ab, bevor Sophie die Tränen in ihren Augen sehen konnte.
Nachdenklich sah Sophie ihre Schwester im Spiegel an. Ob Melissa ihre Wahl schon bereute? So hatte es jedenfalls geklungen, nach dem, was Melissa am Abend zuvor zu Bram gesagt hatte. Sophie konnte es kaum glauben. Dachte sie wirklich daran, Nick zu verlassen?
Doch sie konnte Melissa nicht danach fragen, denn sie fürchtete sich vor der Konsequenz, die eine Trennung von Nick bedeuten könnte: Vielleicht wünschte sich Melissa stattdessen, Bram heiraten zu können. Natürlich würde ihre
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