Julia Weihnachtsband Band 26
Engel.“
Sie griff in eine Schublade des Schranks neben dem Kühlschrank. „Hier haben wir eine Glocke, einen Adventskranz, einen Weihnachtsbaum“, sagte sie. „Ich suche rasch die Zutaten für den Teig zusammen, dann kann es losgehen.“
„Sollte ich vorher nicht lieber meinen Mantel ausziehen?“
Sie lachte und ging zu ihm. Creamsicle nahm seinen Platz in der Ecke ein und beobachtete Wendy und den Neuankömmling.
„Ich habe keine Kinder. Deshalb vergesse ich gelegentlich mal etwas.“ Sie öffnete den Reißverschluss seines Mantels, half Harry aus den Ärmeln und nahm ihm die Mütze ab. „Du musst mich dann daran erinnern.“
„Okay.“ Er schob sich die Brille auf die Nasenwurzel.
Wendy verstaute Mantel und Mütze im Garderobenschrank, dann stellte sie die Teigzutaten bereit. Harry kletterte auf einen Stuhl.
„Nichts da! Du setzt dich nicht hin! Du musst mir helfen.“
Er sah sie an. „Wirklich?“
„Klar.“ Sie reichte ihm einen Messbecher. „Den füllst du mit Mehl.“
Er stellte sich auf den Stuhl, spähte in den Mehlbehälter und sah dann Wendy an. „Füllen?“
„Tauch ihn einfach hinein.“ Sie führte seine weiche kleine Hand, die den Messbecher hielt, und schöpfte Mehl. „Siehst du? Einfach so.“
„Cool.“
„Lass mich raten. Du hast noch nie vorher gebacken.“
Er schüttelte den Kopf. „Meine Mom hatte keine Zeit.“
Innerlich verfluchte Wendy ihren dummen Fehler. Um nichts in der Welt wollte sie Harry an seine Mutter erinnern, doch bevor sie etwas sagen konnte, klingelte das Telefon.
Auf dem Weg zum Apparat sagte Wendy: „Macht nichts, wenn du noch nie gebacken hast. Mir macht es Spaß, es dir beizubringen. So erleben wir beide etwas Neues.“ Sie hob den Hörer ab. „Hallo?“
„Ich habe hier die falsche Prognose.“
„Ach, hallo, Mr Barrington.“
„Diese Prognose ist mit Entwurf überschrieben. Jede Kopie in der Akte ist mit Entwurf abgestempelt. Gibt es keine endgültige Fassung?“
„Doch.“ Sie überlegte kurz, warum das endgültige Exemplar sich nicht in der Akte befand, kam jedoch zu dem Schluss, dass es nicht wichtig war. „Ich muss Ihnen das Original wohl ausdrucken.“
„Prima. Wir sehen uns.“ Er hielt inne und fügte dann hinzu: „Und trödeln Sie nicht.“ Er legte auf.
Sie seufzte. „Harry, tu mir einen Gefallen und stell die Butter wieder in den Kühlschrank.“
Er hopste vom Stuhl und trug die Butter zum Kühlschrank. Wendy folgte ihm mit den Eiern und der Milch.
„Das macht richtig Spaß!“
„Dir macht es Spaß, Sachen heranzuholen und wieder wegzuräumen?“
„Irgendwohin zu fahren!“
„Du fährst gern zu meiner Arbeitsstelle?“
„Ich fahre gern, egal, wohin. Meine Mom ist nirgendwohin gefahren.“ Er verzog das Gesicht und blickte zu Boden. „Sie war krank.“
Wendy ging vor ihm in die Hocke. Der Gedanke an Betsy war auch für sie schmerzlich. „Ich weiß, dass sie krank war. Und bestimmt vermisst du sie sehr. Aber ich glaube, sie mag es nicht, wenn du solchen Gedanken nachhängst.“
„Was heißt nachhängen?“
„Wenn du an sie denkst, und sie kann nicht hier sein. Sie möchte bestimmt, dass du so kurz vor Weihnachten an schöne Dinge denkst.“
Harry nickte weise.
Sie stand auf und half ihm in den Mantel. Nachdem auch sie sich warm angezogen und Handtasche und Schlüssel von dem Tischchen in der Eingangshalle geholt hatte, ergriff sie Harrys Hand und führte ihn hinaus in den peitschenden Wind und den eiskalten Regen.
Die Bäume und die Briefkästen vor der Reihe älterer, aber gepflegter Häuser waren mit Eis überzogen. Wendy blieb bei ihrem kleinen blauen Auto stehen und betrachtete die Eiszapfen am Türgriff. Der Wagen konnte auf vereister Straße so leicht ins Schleudern geraten. Vielleicht war es sicherer, zu Fuß zu gehen. „Ich weiß nicht.“
„Was?“
„Bis zur Fabrik ist es nicht weit. Wir könnten eigentlich zu Fuß gehen.“
Aber es regnete. Und Harry war ein kleiner Junge. Ein Weg von zehn Minuten war für kurze Beinchen vielleicht doch nicht so einfach.
„Schon gut. Wir fahren.“
Als sie darauf warteten, dass die Autoscheiben auftauten, fragte sie: „Weißt du schon, was du mal werden willst, wenn du groß bist?“
„Feuerwehrmann.“
„Ein toller Beruf.“
„Ich will Menschen retten.“
Wendy legte den Gang ein. Die Erinnerung an den Tod seiner Mutter war noch so frisch, dass Wendy solche Gedankengänge nicht zulassen wollte. Nicht so kurz vor Weihnachten. Sie wollte
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