Julia Weihnachtsband Band 26
gehen.“
„Warum?“
„Meinst du nicht, dass du ihm fehlen wirst, wenn du nach Miami zurückkehrst?“
Und plötzlich ging ihm ein Licht auf. Sie redeten zwar über Harry, aber sie meinte auch sich selbst. Sie würde leiden, wenn er ging. Ihr würde er fehlen.
Er wich noch einen Schritt zurück. Fort von ihr. Die Erinnerung an die Ereignisse vom Freitag fiel wieder über ihn her. Er konnte nicht anders, er war in sie verliebt, wollte sie berühren, sie noch einmal küssen. Und jetzt sagte sie ihm, sie wolle nichts mit ihm zu tun haben, weil er sie an ihren Mann erinnerte. Was ihm einen gehörigen Schrecken einjagen sollte – und das tat es. Es schnürte ihm die Brust zusammen. Ließ sein Herz rasen und seinen Magen rebellieren. Sie betrachtete ihn als potenziellen Ehemann.
Und er war Junggeselle. Sie war sogar so weit gegangen, ihm vorzuwerfen, dass er ein Playboy sei. Er liebte Miami. Er liebte das Nachtleben. Er war nicht versessen auf Verantwortung, und deshalb wählte er seine Verantwortlichkeiten sorgfältig.
Doch sein Verhalten ihr gegenüber erinnerte sie an das eines Ehemanns.
Er wich noch weiter zurück. „Ich helfe Harry über eine schwierige Zeit in seinem Leben hinweg. Er braucht mich, denn er weiß, dass ich ihn verstehe, weil meine Mutter ebenfalls kürzlich gestorben ist. Doch bis zum Zeitpunkt meiner Abreise hat er sich an dich gewöhnt, fühlt sich bei dir sicher und gut aufgehoben. Er wird mich ein bisschen vermissen, aber nicht lange.“
„Tatsächlich?“
Das Vertrauen in ihrem Blick war sein Untergang. Kein Mensch hatte ihn je so angesehen.
Er atmete tief durch und trat noch einen Schritt zurück. Er hatte nie gewollt , dass jemand ihn so ansah.
„Glaub einem Menschen, der sich als Kind an vielerlei gewöhnen musste. Sobald Harry sich bei dir gut aufgehoben fühlt, könnte ich vom Erdboden verschwinden, und nach ein, zwei Tagen wäre seine Welt wieder in Ordnung. Aber in dieser Übergangsphase, während er sich an das Leben mit dir gewöhnt, braucht er jemanden, der ihn versteht, und deshalb will ich für ihn da sein.“
Sie lächelte und nickte, und Cullen drehte sich auf dem Absatz um, um schnellstens in Paul McCoys Büro zu flüchten, doch er hielt inne und drehte sich noch einmal zu Wendy um.
„Nur damit du es weißt: Ich würde niemals absichtlich jemandem wehtun.“
Damit brachte er, so gut er konnte, zum Ausdruck, dass er ihre Ängste verstand. Sie wollte seine Annäherungsversuche nicht, wollte ihn nicht zu nahe an sich heranlassen, weil sie leiden würde, wenn er fortging.
Er hatte verstanden.
Jetzt kam es einfach darauf an, dass er in ihrer Gegenwart sein drängendes Verlangen beherrschte.
Am Dienstagmorgen war Harry deutlich besserer Laune. Wendy servierte ihm Haferflocken mit Zimt und Zucker und versprach ihm einen Ausflug ins Einkaufszentrum nach der Schule. Sie spielte seine Traurigkeit und seine Angst vorm Alleinsein nicht herunter, sondern versuchte vielmehr, ihm dadurch, dass sie ihm zu essen gab und ihn zur Schule brachte, ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Den Ausflug ins Einkaufszentrum versprach sie ihm, um ihm durch Pläne für die Zukunft zu zeigen, dass das Leben weiterging.
Als sie – rechtzeitig – zur Arbeit kam, war sie stolz auf sich, bis sie einen Blick in Cullens Büro warf und ihn hinter Mr McCoys großem Schreibtisch sitzen sah.
Ihr war klar, dass sie ihm am Vortag einen Heidenschrecken eingejagt hatte, als sie sagte, er erinnere sie an ihren Mann. Sie hatte es absichtlich getan. Er mochte sie. Sie mochte ihn. Wenn sie es zuließen, konnten zwischen ihnen Funken fliegen, und Cullen mangelte es offenbar an praktischem Verständnis und der Einsicht, dass sie Gegensätze waren. Er war vielleicht der Typ, der nach dem Lustprinzip lebte, sie jedoch nicht. Wenn sie eine Beziehung eingingen, würde er seinen Spaß haben, bei seiner Rückkehr nach Miami vielleicht traurig sein, doch nach zwanzig Minuten auf seinem Boot würde er sie vollständig vergessen haben. Während sie mit gebrochenem Herzen im verschneiten Pennsylvania zurückblieb.
Nein, danke.
Ihr war klar, dass es Harry guttat, in seiner schwierigen Zeit Cullen um sich zu haben. Sie verstand auch Cullens Standpunkt, dass Harry sich eingewöhnt haben würde, wenn er, Cullen, aus Pennsylvania abreiste. Zwar würde er Cullen vermissen, doch er würde sich nicht schmerzlich nach ihm sehnen, weil er sich dann längst bei Wendy geborgen fühlen würde. Es war also gut, dass
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