Julia Weihnachtsband Band 26
konnte.
Dann hatte sie ihn rausgeworfen.
Mit einem ärgerlichen Seufzer erinnerte er sich, dass er es bereits ihrer Müdigkeit zugeschrieben hatte, doch plötzlich wurde ihm klar, dass es nicht das war, was ihn ärgerte. Das Problem war nicht der „Rauswurf“ an sich. Das wirkliche Problem war, dass sie ihn nach ihrer Weigerung, über ihren Mann zu sprechen, rausgeworfen hatte.
Während er die Küstenstraße entlangfuhr, die von Lichtern glitzernde perfekte Welt um sich herum, das friedliche Rauschen des Meeres zu seiner Linken, fragte er sich, ob sie ihn gerade wegen seiner Frage nach dem Foto rausgeworfen hatte. Was wirklich absurd wäre, denn schließlich hatte er das Recht, beleidigt zu sein. Seit dem Tod ihres Mannes waren Jahre vergangen, und seine Frage war harmlos gewesen, doch sie wollte sie nicht beantworten. Er hatte ihr spontan von seiner Familie erzählt. Er hatte jede verdammte Frage beantwortet, sie sie ihm stellte. Aber sie wollte nicht über ihren Mann reden.
Er schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. Verdammt noch mal! Es war doch unwichtig! Er würde ihr niemals nachstellen. Sie war eine seriöse Frau, und er war ein Aufreißer. Ein Kerl, der gern Spaß hatte. Wäre Harry nicht gewesen, dann würden sie vermutlich außerhalb des Büros gar nicht miteinander reden.
Cullen bog in die Zufahrt zu seinem großen doppelstöckigen Haus mit den hohen Fenstern ein und mahnte sich zur Ruhe. Sich wirklich zu beruhigen, denn sonst würde sein Vater merken, dass etwas nicht stimmte, und keine Ruhe geben, bis Cullen ihm alles erzählt hatte. Und dann würde sein Vater sich ärgern. Er würde glauben, Barrington in Pennsylvania könnte Cullen genauso vereinnahmen wie seine Mutter. Die Erinnerungen, die dann wieder hochkamen, würden das Weihnachtsfest verderben. Also nein. Er durfte sich auf gar keinen Fall anmerken lassen, dass ihn etwas belastete.
Denn ihn belastete ja nichts.
Wendy ließ Harry am Samstagmorgen ausschlafen. Als es elf Uhr durch war und Harry immer noch schlief, sagte sie ihre Verabredung mit Emma und ihren Kindern ab. Gegen Mittag wachte Harry auf, war mürrisch und grantig, und Wendy ließ ihm reichlich Freiraum, damit er seine Gefühle auf seine eigene Art verarbeiten konnte. Am Sonntag war er immer noch übellaunig. Wendy bestellte Pizza und gestattete ihm, sich ein Fußballspiel im Fernseher anzusehen. Als er am Montagmorgen nicht zur Schule gehen wollte, wusste sie, dass Schluss mit diesen Launen sein musste.
Sie gab sich streng, half ihm beim Anziehen und gab ihm zu essen. Nachdem sie ihn zu seinem Klassenraum begleitet hatte, erklärte sie seinem Lehrer die Situation, erzählte ihre Geschichte im Büro des Schulleiters noch einmal und stellte sicher, dass Harry ausreichend Beistand bekam.
Mit einer Stunde Verspätung kam sie zur Arbeit und erfuhr, dass Cullen nicht anwesend war. Sie seufzte erleichtert auf, nahm sich ihre typischen Montagsarbeiten vor und vergaß ihren zeitweiligen Chef.
Gegen drei Uhr bekam sie Angst, dass Cullen etwas zugestoßen sein könnte. Vielleicht hatte er einen Unfall. Als er nach vier Uhr in ihr Büro kam, waren ihre Nerven zum Zerreißen gespannt.
„Wo warst du?“
Angesichts ihres Tonfalls hob er die Brauen. „Wie bitte?“
Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Verzeihung. Ich hatte ein schlechtes Wochenende, und als du nicht hier warst und ich auch keine Abwesenheitsnotiz finden konnte …“ Jetzt ballte sie die Hand in ihrem Haar zur Faust. „Ich hatte Angst, ich dachte, du wärst vielleicht in einen Unfall verwickelt. Entschuldige.“
Er zog seinen Mantel aus. „Nein. Ich muss um Entschuldigung bitten. Du hast recht. Ich hätte dich wissen lassen müssen, dass ich übers Wochenende nach Hause fliegen und erst am Montag zurück sein wollte.“
„Es ist beinahe schon Feierabend. Du hättest gar nicht mehr herzukommen brauchen.“
Er lachte. „ Du hast vielleicht eine Laune.“
Sie seufzte. „Harry hatte ein schlimmes Wochenende.“
„Das überrascht mich nicht. Er hat seine Mom verloren und einen Monat im Heim verbracht. Als er endlich zu dir kommen durfte – zu jemandem, den er kennt und bei dem er sich aufgehoben fühlt –, musste er hören, dass sein Vater tot ist.“
Angesichts seines spontanen Verständnisses war sie so verdammt froh, ihn zu sehen, dass sie überzeugt war, er könnte es ihr vom Gesicht ablesen. Ja, vielleicht waren sie verschieden. Vielleicht passten sie auch nicht zueinander. Aber er
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