Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
letzte Bitte. „Was immer ich getan habe, vergiss nie, dass es aus Liebe zu dir war“, hatte er sie matt beschworen.
Ja, sie schuldete Carlo viel. Als sie in Not war, hatte er sich ihrer angenommen, sie unterstützt und aufgebaut. Was er ihr gegeben hatte, war unbezahlbar. Er hatte sie Selbstachtung und innere Ausgeglichenheit gelehrt, die Fähigkeit, selbstlos Liebe zu geben und zu empfangen. Für sie war Carlo sehr viel mehr gewesen als nur ihr Ehemann.
Kämpferisch blitzte es in Sashas meergrünen Augen auf. Sie war auch früher arm gewesen und hatte sich irgendwie durchgeschlagen. Doch damals hatte es ihre beiden Söhne noch nicht gegeben, für die sie nun sorgen musste. Erst am Morgen hatte eine E-Mail des Internats der Jungen sie diskret daran erinnert, dass das Schulgeld für das neue Semester fällig wurde. Der Gedanke war einfach zu schrecklich, das Leben der Zwillinge noch weiter aus den Fugen geraten zu lassen, indem sie die beiden aus der Schule nahm, die sie so begeistert besuchten.
Verloren blickte Sasha auf ihre Diamantringe. Auf teuren Schmuck hatte sie nie viel Wert gelegt, doch Carlo hatte ihr die Ringe unbedingt kaufen wollen. Inzwischen war sie entschlossen, ihren gesamten Schmuck zu verkaufen. Mit dem erhofften Erlös würden sie wenigstens während der Sommerferien ein Dach über dem Kopf haben. Sie hatte ihren Stolz über Bord geworfen, als sie über Carlos Anwälte zu erreichen versuchte, mit ihren Söhnen bis zum Beginn des neuen Schuljahres im September hierbleiben zu dürfen. Immerhin das war ihr zugesagt worden. Ihre eigene Jugend war unsicher und liebeleer gewesen, und sie hatte sich geschworen, dass ihre Kinder es besser haben sollten. Deshalb hatte sie auch …
Nachdenklich beobachtete Sasha ihre Söhne. Ja, Carlo hatte viele ihrer seelischen Wunden geheilt, doch eine blutete immer noch.
Durch den Kummer der letzten Monate war sie dünner geworden, zu dünn, fand sie. Die Armbanduhr hing locker an ihrem Handgelenk, während sie sich das volle, von sonnengebleichten Strähnen durchzogene dunkelblonde Haar aus dem Gesicht strich.
Achtzehn war sie gewesen, als sie Carlo geheiratet hatte, und neunzehn, als die Zwillinge geboren wurden. Ein ungebildetes junges Ding war sie damals gewesen. Carlos Heiratsantrag hatte sie nur zu gern angenommen, obwohl er sehr viel älter war als sie. Die Ehe mit ihm hatte ihr so viel gegeben, das sie nie gekannt hatte … und nicht nur finanzielle Sicherheit. Er hatte Stabilität in ihr Leben gebracht, in der sicheren Umgebung, die er ihr geboten hatte, war sie aufgeblüht.
Sasha war entschlossen gewesen, Carlos Liebe zu erwidern, und sein Gesichtsausdruck, als er die Zwillinge nach ihrer Niederkunft in der teuren Privatklinik zum ersten Mal in ihrem Bettchen sah, hatte ihr gezeigt, dass er sich nichts Schöneres hätte wünschen können.
„Schau mal, Mum.“ Sasha drehte sich zu Sam um und sah zu, wie er und Nico als Flugzeuge auf dem Sand landeten. Bald würden sie gegen die ständige Überwachung aufbegehren, doch noch war ihnen nicht bewusst, dass ihre Mutter sie nie aus den Augen ließ. Bei zwei so einfallsreichen Energiebündeln, wie ihre Zwillinge es waren, blieb ihr nichts anderes übrig, als übervorsichtig zu sein und Gefahren zu wittern, auf die sie sich aus Abenteuerlust einlassen könnten.
„Guck mal, wir können auch Handstand machen“, prahlte Sam.
Für ihr Alter waren die beiden nicht nur sehr lebhaft, sondern auch ungewöhnlich groß und kräftig.
„Du hast mir wunderbare, starke Söhne geschenkt, Sasha“, hatte Carlo sie oft gelobt. Lächelnd dachte sie an seine Worte. In der Ehe war sie vom Mädchen zur Frau erblüht. Ihr goldener Ehering funkelte in der Sonne, als sie sich wieder dem Hotel auf dem Felsvorsprung über ihnen zuwandte.
Mit ihrem verstorbenen Mann hatte sie die ganze Welt bereist, seine Kette kleiner, aber exklusiver Hotels besucht. Doch zu diesem auf Sardinien hatte es sie immer wieder hingezogen. Ursprünglich war es eine Privatvilla gewesen, die Carlos Cousin gehörte. Carlo hatte sie nach dessen Tod geerbt und geschworen, sie nie zu verkaufen.
Gabriel stand im Schatten des Felsens und blickte grimmig auf den Strand hinunter.
Wie mochte Sasha sich jetzt fühlen, nachdem das Schicksal sich nicht an den Pakt gehalten hatte, den sie mit ihm eingegangen war, und die Sicherheit, die sie sich mit ihrer Heirat erkauft hatte, nun doch nicht ewig hielt? Wie war ihr wohl zumute gewesen, als sie erfahren musste,
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