Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
der Großvater Gabriels Professoren nicht glauben wollen, die sich erstaunt über seine Begabung äußerten, besonders aber seine rasche Auffassungsgabe in allem, was die vielschichtigen Zusammenhänge der Finanzwelt betraf. Mit zwanzig hatte Gabriel den kleinen Kapitalstock vervierfacht, den sein Großvater ihm zum achtzehnten Geburtstag übertragen hatte.
Und dann war der Großvater drei Wochen nach Gabriels einundzwanzigstem Geburtstag unerwartet gestorben, und Gabriel hatte sein unermessliches Vermögen und seine Stellung geerbt. Nun mussten alle, die vorher gespottet hatten, er sei dieser Herausforderung nicht gewachsen, schnell einsehen, dass sie sich geirrt hatten. Gabriel war ein echter Calbrini, in Gelddingen entwickelte er sogar ein noch feineres Gespür als sein Großvater. Doch ihm ging es nicht nur darum, viel Geld zu verdienen. Niemand sollte ihn mehr verletzen können.
Und das habe ich geschafft, dachte Gabriel. Keine Frau würde ihn ungestraft zurückweisen, wie seine Mutter es getan hatte.
Schon gar nicht diese Frau hier.
Er konnte hören, dass Sasha mit ihren Söhnen sprach, der Wind trug Lautfetzen zu ihm herüber, doch was sie sagte, verstand er nicht.
Sasha! Mit fünfundzwanzig war er Milliardär geworden, ein Mann, der niemandem traute, für den Frauen, mit denen er schlief, genau das waren: Bettgefährtinnen, mehr nicht. Die Regeln, die er für solche Beziehungen aufstellte, waren einfach und unumstößlich: Kein Wort von Liebe, Bindung oder einer gemeinsamen Zukunft. Unbedingte Treue, solange eine Frau mit ihm zusammen war. Absolute Einhaltung aller Vorkehrungen für sicheren Sex. Keine Kinder. Und um sicherzustellen, dass letztere Regel weder „zufällig“ noch absichtlich gebrochen wurde, sorgte Gabriel stets selbst dafür.
Im Lauf der Jahre hatte er genug wütende, verbitterte Szenen erlebt. Manche Damen waren in Tränen ausgebrochen, weil sie gehofft hatten, die Regeln ändern zu können … und schnell eines Besseren belehrt wurden. Die Tränen waren dann jedoch stets wundersam versiegt, wenn er den Schönen den Abschied mit einer großzügigen Geldsumme versüßt hatte.
Gabriel lächelte zynisch. War es ein Wunder, dass er niemandem mehr traute und Frauen verachtete? Die Eva musste erst noch geboren werden, die sich nicht kaufen ließ. Seine Mutter hatte ihm gezeigt, wie Frauen waren, als sie ihn für Geld verlassen hatte. Und alle anderen, denen er seitdem begegnet war, hatten ihn in seiner Auffassung nur bestätigt.
Natürlich genoss er die Gesellschaft von Frauen – oder besser gesagt, die Lust, die sie ihm mit ihrem Körper spendeten. Wie sein Vater war er ein sehr attraktiver Mann, er hatte nie Probleme, eine bereitwillige Partnerin zu finden, die seine sexuellen Bedürfnisse befriedigte.
„Sam, geh nicht so weit weg. Bleib hier, wo ich dich sehen kann.“ Diesmal konnte er hören, was Sasha sagte, weil sie es ihrem Sohn zurief. Sasha – eine besorgte Mutter?
Wie seine Verbitterung ließ die Vergangenheit ihn einfach nicht in Ruhe. Hier holte sie ihn ein, packte ihn so brutal, dass es regelrecht wehtat.
Nach dem Tod seines Großvaters hatte er dessen abgelegene, unbehagliche Villa auf Sardinien verkauft und eine Jacht erworben. Da er durch seine Immobiliengeschäfte viel unterwegs war, wechselte er den Wohnort so häufig wie die Bettgefährtinnen. Wenn eine Frau sich ihm anbot, warum sollte er nicht zugreifen? Sie musste nur einsehen, dass es in seinem Leben keinen Platz mehr für sie gab, wenn sein sexueller Appetit gestillt war.
Mit fünfundzwanzig hatte er auch beschlossen, eine Frau dafür zu bezahlen, dass sie ihm einen Erben schenkte – ein Kind, für das er sich die ausschließlichen Rechte sichern würde.
Verächtlich beobachtete er Sasha. Vor sechs Wochen, unmittelbar nach seinem fünfunddreißigsten Geburtstag, hatte er am Krankenhausbett seines sterbenden Cousins zweiten Grades gestanden – die Familie Calbrini war groß und weitverzweigt – und sich angehört, wie Carlo ihn anflehte, für seine beiden Söhne zu sorgen, die er mehr als alles auf der Welt liebte.
Eine warme Brise umspielte Gabriels klassisch-römische Züge. Vor Jahrhunderten hatten die Sarazenen Sardinien erobert und seine Geschichte und die seiner Einwohner nachhaltig geprägt. Die männlichen Nachkommen, die aus Verbindungen der Eroberer mit den Frauen der Insel hervorgingen, besäßen die Kraft und gnadenlose Grausamkeit ihrer Erzeuger, hatte Carlo Gabriel erzählt. Auch in
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