Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
widerwillig.
Sasha war so betroffen, dass sie im ersten Moment kein Wort hervorbrachte. Damals war sie heimlich nach New York geflogen, um einen weiteren Spezialisten aufzusuchen, der Carlo vielleicht doch noch helfen konnte. Für alles, was er für sie und ihre Zwillinge getan hatte, konnte sie ihm nicht genug danken. Sie schuldete Carlo so viel, hatte ihn täglich, oft sogar mehrmals am Tag, im Krankenhaus besucht und nichts unversucht lassen wollen, um ihren Mann zu retten. Erst nach schweren inneren Kämpfen hatte sie die Leitung des Londoner Internats gebeten, die Jungen aufzunehmen. Sie hatte die aus ihrer Sicht beste Entscheidung getroffen, doch genau das hielt Gabriel ihr jetzt vor.
„Du weißt natürlich, dass Carlos Firma bankrott ist und er dir nichts als Schulden hinterlassen hat?“
„Ja, das weiß ich“, musste Sasha niedergeschlagen zugeben. Es wäre sinnlos gewesen, ihre finanzielle Notlage zu verheimlichen, Gabriel zu erklären zu versuchen, wie ihr zumute war. Er würde sie doch nicht verstehen, weil er dazu gar nicht fähig war. Sie hatten beide eine schwere Kindheit hinter sich, aber das hatte sie einander nicht nähergebracht, sondern sie sogar zu erbitterten Feinden gemacht. Er würde nie verstehen, warum sie ihn wegen Carlo verlassen hatte. Und sie würde es ihm nicht verraten, weil das zu nichts führen würde.
„Zur Beerdigung bist du nicht erschienen, Gabriel. Soll ich mich jetzt geehrt fühlen, weil du persönlich hergekommen bist, um deinen Triumph auszukosten?“
„Um zuzusehen, wie du Krokodilstränen vergießt? So stark ist nicht einmal mein Magen.“
„Aber natürlich stark genug, um mich mit Worten zu steinigen. Es ist zehn Jahre her, Gabriel. Wäre es da nicht an der Zeit …“
„Zeit wofür? Dass ich jetzt eintreibe, was du mir schuldest, und zwar mit Zins und Zinseszins? Ich bin ein Mann, der Darlehen voll zurückfordert, Sasha. Carlo wusste das.“
Ein Schauer überlief sie. „Wie meinst du das? Was wusste Carlo?“
„Dass er mir das geschuldete Geld verzinst zurückzahlen muss.“
„Du hast Carlo Geld geliehen?“
Gabriel nickte. „Als Sicherheit musste er mir seine Hotels überschreiben. Er hatte sich finanziell katastrophal verspekuliert. Das habe ich ihm auch gesagt, aber er glaubte, seinen Kopf mit geliehenem Geld aus der Schlinge ziehen zu können. Und da wir verwandt waren, konnte ich ihn schlecht abweisen, als er mich um Hilfe bat. Pech für ihn, dass er es nicht geschafft hat, den Bankrott abzuwenden. Und gut für mich, dass seine Schulden durch Sicherheiten abgedeckt werden. Jetzt gehören seine Hotels mir. Natürlich auch dieses hier.“
Sasha traute ihren Ohren nicht. „Dir?“ Sie musste sich verhört haben! „Dieses Hotel gehört dir?“
„Das hier und alle seine anderen auch“, versicherte Gabriel ihr. „Dein Zuhause, das Geld, das du auf der Bank hast, die Kleider, die du trägst. Alles das gehört jetzt mir, Sasha. Alles. Carlos Schulden sind damit getilgt“, fuhr er leise fort, „während deine bei mir noch offenstehen. Dachtest du, ich hätte sie vergessen …, dass ich mir nicht die Mühe machen würde, sie einzufordern?“
Verzweifelt widerstand Sasha nun dem Drang, zu ihren Söhnen zu sehen, um sich zu vergewissern, dass es ihnen gut ging und sie von der schrecklichen Entwicklung der Dinge nichts ahnten. Wenn sie zu ihnen hinüberblickte, könnte Gabriel merken, dass sie über ihre Söhne angreifbar war.
Sie atmete tief durch. „Du willst dich an mir rächen? Dabei war ich in unserer Beziehung das Opfer, Gabriel. Schließlich warst du es, der …“
„Du hast dich an den Höchstbietenden verkauft.“
Irgendwie schaffte sie es, ihn anzusehen. „Weil du mir keine andere Wahl gelassen hast“, erklärte sie gefasst.
Das stimmte auch. Sie war zu ihm gekommen und hatte sich von ihm all die Dinge erhofft, die sie sich immer gewünscht hatte. Zu jener Zeit hatte sie noch an Wunder geglaubt; dass das Schicksal selbst bei einem Mädchen wie ihr alles gutmachen würde. Sie hatte darauf vertraut, dass ihre Träume wahr werden könnten. Jetzt empfand sie nur Mitleid für das Mädchen von damals, war froh, eine reife Frau zu sein.
Ehe er etwas erwidern konnte, fragte Sasha: „Was willst du, Gabriel? Ganz sicher hast du deine kostbare Zeit doch nicht geopfert, um einfach nur zu triumphieren. Oder dachtest du, es könnte ganz lustig sein, uns persönlich rauszuwerfen? Aber nun, die Mühe nehme ich dir ab. Im Handumdrehen haben wir
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