Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
erforschte. Fast hätte sie in diesem Moment den Höhepunkt erreicht.
Ein Schauer überlief Sasha. Wieso dachte sie ausgerechnet jetzt daran? Die widersprüchlichsten Empfindungen stürmten auf sie ein. Furcht? Schuldgefühle? Verlangen? Nein! Nie wieder! Das Mädchen Sasha gab es nicht mehr, und mit ihr waren die Gefühle verflogen, die es beherrscht hatten.
Unauffällig spähte Sasha den Strand entlang zu ihren Söhnen, die immer noch spielten und gar nicht gemerkt hatten, was hier vor sich ging. Schnell blickte sie fort, als könnte sie die Jungen so vor dem beschützen, was mit ihr geschah, und trat instinktiv zur Seite, damit Gabriel nicht auf ihre Söhne aufmerksam wurde. Für sie würde sie alles tun. Alles!
Ihr Ablenkungsmanöver konnte ihn nicht täuschen. Carlo hatte ihn gewarnt, sie sei eine überfürsorgliche Mutter, aber das war ja auch verständlich. Sie hatte seinen Cousin für einen vermögenden Mann gehalten, und als Mutter seiner Kinder hatte sie uneingeschränkt Zugang zu seinem Reichtum gehabt. Wie viele Männer, die erst in späten Jahren Vater wurden, hatte Carlo seine Söhne vergöttert – den lebenden Beweis seiner Potenz. Seine Erben …
Jetzt erbten sie gar nichts. In Gabriels goldbraunen Augen blitzte es auf, er dachte an den privilegierten Lebensstil der beiden Jungen, für die ihren Eltern nichts zu teuer war … Sie trugen exklusive italienische Kleidung, hatten strahlend weiße Zähne; die Art, wie sie sprachen, ließ darauf schließen, dass sie eine englische Schule für die Oberschicht besuchten. Und ihren kraftvollen, sehnigen Körpern war anzusehen, dass die Kinder von klein auf gesund und mit Bedacht ernährt worden waren.
In ihrem Alter hatte er Lumpen getragen, war mager und knochig gewesen.
Gabriel blickte wieder zu Sasha. Auch sie besaß schöne, gepflegte Zähne, für die Zahnarztrechnungen war natürlich ihr liebender Gatte aufgekommen. Ihr liebender Ehemann, der jetzt tot war. Ihr seidiges Haar war so geschnitten, dass es wunderbar natürlich floss, doch Gabriel wusste, dass es ein Vermögen kostete, immer so auszusehen. Das „schlichte“ Leinenkleid hatte garantiert ein Designeretikett, und auch ihre gepflegten, farblos lackierten Finger- und Fußnägel wiesen sie als selbstbewusste Frau von gesellschaftlichem Ansehen und Reichtum aus.
Doch damit war es jetzt vorbei. Was mochte in Sasha vorgegangen sein, als sie von Carlos Tod erfuhr? War sie erleichtert gewesen, das Bett nicht mehr mit dem alten Mann teilen zu müssen? Hatte sie innerlich gejubelt, weil sie glaubte, jetzt reich zu sein?
Fast dreißig dürfte sie inzwischen sein, überlegte Gabriel. Falls sie jetzt einen anderen reichen alten Mann suchte, würde sie feststellen, dass sie es mit sehr viel jüngeren Rivalinnen, die zudem keine Kinder hatten, aufnehmen musste. Damen, wie sie ihn umgarnten, wo immer er auftauchte.
Eine seiner Geliebten hatte ihm gestanden, es sei das Sarazenenblut in seinen Adern, das ihn geheimnisvoll und gefährlich erscheinen ließ, sodass seine Feinde ihn fürchteten, während die Frauen von ihm fasziniert waren. Er selbst war überzeugt, dass ein Kind, das unerwünscht war und seelisch und körperlich misshandelt wurde, rasch lernte, einzustecken und auszuteilen. Ein Kind, das die Bauernhunde davon abhalten musste, ihm die Brotkrusten abzujagen, konnte gar nicht anders, als sich einen harten Schutzpanzer zuzulegen.
Mit einem kalten Lächeln registrierte Gabriel Sashas Reaktion, sah den entsetzten Ausdruck in ihren Augen mit heimlicher Freude. „Ja, es muss dich hart angekommen sein, im Bett des alten Mannes zu liegen, dem du Lust gespendet hast, ohne selbst welche zu empfinden. Aber dafür konntest du dich natürlich an seinem vielen Geld erfreuen, stimmt’s?“
„Ich habe Carlo nicht seines Geldes wegen geheiratet.“
„Nein? Warum dann?“
Aha! Jetzt hatte er sie, wo er sie haben wollte. Er hörte sie tief durchatmen. Wie gut er dieses Gefühl kannte, vor einem tödlichen Schlag in Deckung gehen zu wollen. Leider war es für Sasha dazu zu spät. Hier gab es keine Deckung mehr.
„Doch wohl kaum aus Liebe“, höhnte Gabriel. „Kurz bevor Carlo starb, habe ich im Krankenhaus in Mailand mit ihm gesprochen. Da warst du, glaube ich, in New York – zum Einkaufen. Und bequemerweise hattest du deine Söhne vorher im Internat abgeladen, um frei und ungestört zu sein.“
Aus ihrem Gesicht wich alle Farbe.
Trotzdem ist sie wunderschön, dachte Gabriel
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