Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
aufhören, auf seinen Mund zu starren, sonst würden Maria und die Jungen spüren, wie gespannt die Atmosphäre zwischen ihr und Gabriel war.
Wieso reagierte sie jedes Mal so stark, wenn er auftauchte? Zehn Jahre war sie bestens ohne ihn ausgekommen, hatte sich glücklich und geborgen gefühlt, ihre Freiheit und Unabhängigkeit genossen und geglaubt, die Bande zu Gabriel endgültig abgestreift zu haben. Es war verrückt, doch selbst jetzt, nach all den Jahren, erregte sein bloßer Anblick sie wie damals …
Sasha riss sich zusammen und blickte auf den gedeckten Tisch. Was wollte Gabriel hier in der Küche? Sie hatte Maria telefonisch Bescheid gegeben, sie würden zum Mittagessen einen unerwarteten Gast haben, und dabei erfahren, dass Gabriel bereits in der Küche erschienen war, sich vorgestellt und angekündigt hatte, dass er bleiben werde.
Nach Carlos Tod und der Konkurserklärung war das Hotel offiziell geschlossen worden. Der mit Michelinsternen ausgezeichnete Chefkoch, der eitle Ober und die elegante Empfangsdame hatten gekündigt, weil sie anderswo eine sicherere Stelle gefunden hatten, und nur eine Notmannschaft, unter ihnen Maria und Mitglieder ihrer Familie, war im Hotel geblieben.
Rasch besprach Sasha sich mit Maria und fiel dabei automatisch in den einheimischen Dialekt. Sie erkundigte sich, ob Gabriel Essen für sich bestellt habe.
Gabriel beherrschte mehrere Sprachen fließend. Mit ihr hatte er wie vorhin am Strand stets Englisch gesprochen. Daran hielt er sich auch jetzt.
„Maria hat sich erboten, mir das Essen auf der Terrasse zu servieren, aber als ich hörte, dass sie hier unten in der Küche offenbar allein ist, habe ich ihr gesagt, das würde zu viel Mühe machen. Schließlich ist sie nicht mehr die Jüngste, und bis zur Terrasse müsste sie zu weit laufen.“
Sein missbilligender Ton war nicht zu überhören, und Sasha wusste, dass er ihr galt.
„Nicht Maria wird dir das Essen servieren, sondern ich“, klärte sie ihn ruhig auf. Sie dachte nicht daran, Gabriel zu sagen, dass sie in letzter Zeit öfter kochte, weil die Wirtschafterin an starkem Rheuma litt und viele Arbeiten einfach nicht mehr schaffte. Maria, ihr Mann und ihre große Familie waren abhängig vom Hotel, sie waren nicht nur auf ihre Gehälter angewiesen, sondern brauchten auch ein Dach über dem Kopf. In letzter Zeit hatte Sasha wiederholt stillschweigend ihre Ersparnisse angegriffen, damit die Leute nicht in Not gerieten. Doch all das ging Gabriel nichts an. Nichts wünschte sie sich in diesem Moment mehr, als dass er schleunigst wieder aus ihrem Leben verschwand … oder wenigstens erst mal aus der Küche.
Ohne Gabriel anzusehen, erwiderte Sasha kühl: „Sicher findest du den Weg zur Terrasse auch allein.“
„Und wo willst du essen?“
Ihr Magen spielte verrückt, eine gefährliche Erregung durchströmte sie. Würde Gabriel ihr jetzt vorschlagen, mit ihm zu essen, wie an dem Abend, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren? Ein Sturm der Gefühle brach über sie herein. Gefühle, die der Vergangenheit angehörten und in ihrem jetzigen Leben keinen Platz mehr hatten, versuchte Sasha sich einzureden.
„Mum isst immer mit uns hier in der Küche“, warf Sam unschuldig ein und rettete sie damit.
„Wie du weißt, ist das Hotel geschlossen.“
Das war Gabriel natürlich klar. Er wusste alles über den augenblicklichen Stand der Dinge. Schließlich gehörte ihm die Hotelkette jetzt.
Immer noch wagte Sasha nicht, ihn anzusehen. Kein Zweifel, Gabriel war nur das Allerbeste gewöhnt, dazu zählte auch ein Chefkoch, der rund um die Uhr auf Abruf für ihn bereitstand. „Die Jungen und ich essen sehr einfach. Du solltest also lieber nach Port Cervo fahren. Dort findest du genug gute Restaurants.“
„Was gibt’s denn heute Schönes bei euch?“, fragte Gabriel die Jungen umgänglich, ohne auf Sashas Vorschlag einzugehen.
„Fisch.“ Begeistert fuhr Sam fort: „Wir haben ihn heute Morgen auf dem Markt selbst ausgesucht. Mum mag es nicht, wenn die Tiere noch zucken, aber nur so weiß man, dass sie wirklich frisch sind. Das hat Pietro uns verraten“, ließ er Gabriel ernsthaft wissen. „Manchmal lässt er uns sogar auf sein Boot, damit wir sie uns im Netz ansehen können. Wenn du möchtest, fragen wir ihn, ob du mitkommen darfst“, fügte er großzügig hinzu.
Es erfüllte Sasha mit Stolz und Liebe, ihren beiden Söhnen zuzuhören, sie zu beobachten. Ihr kamen die Tränen, doch sie blinzelte sie rasch fort.
Weitere Kostenlose Bücher