Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
Nächstes?“
„Was meinen Sie? Ich wäre endlich frei.“
„Frei? Sie wären allein in einer riesigen Stadt, die genauso schön wie grausam ist. Sie müssten auf der Straße schlafen, wären der Gnade eines jeden ausgesetzt, dem Sie begegnen. Hört sich das für Sie nach Freiheit an?“
„Ich komme schon zurecht“, behauptete sie trotzig, obwohl ihr Magen sich bei der Vorstellung drehte.
„Sie haben das Wichtigste vergessen“, fuhr er fort. „Sie würden Ihr Erbe nicht bekommen.“
„Ich nehme mir einen Anwalt. Meine Eltern haben nie gewollt, dass mein Leben von einem Fremden bestimmt wird.“
„Ja, ich bin sicher, dass sie das nicht gewollt haben.“
„Sehen Sie, selbst Sie geben das zu. Mein Anwalt wird mit Javier Estes Verbindung aufnehmen und eine Aussetzung der Testamentskonditionen verlangen, und dann … Habe ich etwas Komisches gesagt, Senhor?“
„Ich lache nicht über Sie“, versicherte Jake sofort. „Noch gestern habe ich genau dasselbe gedacht: mir einen Anwalt zu nehmen, der sollte sich um Javier Estes kümmern, und – peng! – hätte ich nichts mehr mit der Sache zu tun.“ Sein Lächeln erstarb. „Ich habe mich geirrt. Es gibt keinen Ausweg. Wir sitzen zusammen fest. Das Testament Ihrer Eltern ist absolut wasserdicht. Genauso wie das meines …“, er fing sich rechtzeitig, „… wie das, das mich betrifft.“
Mit großen Augen, in denen Tränen glitzerten, schaute sie ihn an. „Warum sollte ich Ihnen glauben, Senhor?“
„Weil es die Wahrheit ist. Nichts wäre mir lieber, als dass Sie recht hätten. Denken Sie, mir macht diese Sache Spaß?“
Sie antwortete nicht. Er nahm es ihr nicht übel. „Hören Sie, es war wirklich ein langer Tag.“ Er deutete mit dem Kopf zu einer geschlossenen Tür. „Das da ist ein zweites Schlafzimmer mit einem privaten Bad.“ Er sah auf die Reisetasche. Sie schien viel zu klein, um die Habseligkeiten einer Person zu fassen, aber scheinbar besaß Catarina nicht mehr. „Warum machen Sie sich nicht frisch? Duschen Sie sich, ziehen Sie sich etwas Bequemeres an als dieses … nun … Kleid, das Sie da tragen.“
„Was stimmt mit diesem Kleid nicht?“ Sie hob das Kinn. „Ich habe es selbst genäht.“
„Tatsächlich? Nun ja, es ist …“ Er räusperte sich. „Gehen Sie nur. Ich bestelle uns etwas zu essen.“
„Machen Sie sich keine Mühe, ich habe keinen Hunger.“
„Nein? Auch gut. Ich habe Hunger für zwei. Sie können mir zusehen, wie ich zwei Portionen verputze.“
Sie hätte ihm ja noch gern gesagt, dass das Einzige, wobei sie ihm zusehen wollte, sei, wie er aus ihrem Leben verschwand, aber da drehte er sich auch schon um und bestellte beim Zimmerservice das Dinner, während er sich das Jackett von den Schultern schüttelte, die Manschettenknöpfe löste und sich die Hemdsärmel aufrollte.
Wie konnte dieser Mann es wagen, sich vor ihren Augen auszuziehen! Natürlich hatte sie schon die nackten Arme eines Mannes gesehen. Der alte Gärtner hatte sich manchmal die Ärmel hochgeschoben, wenn er …
Ihr stockte der Atem. Die Arme des Gärtners waren sehnig und die Haut faltig, aber die Arme ihres Kapers waren muskulös, seine Haut war straff und goldfarben und von einem feinen dunklen Flaum überzogen.
Jetzt nahm er auch noch die Krawatte ab. Kümmerte es ihn denn nicht, dass sie noch im Zimmer war? Doch anstatt etwas zu sagen oder sich zu rühren, schaute Catarina fasziniert zu, wie er sich das Hemd aufknöpfte.
Ein starker, gebräunter Hals, eine breite, muskulöse Brust. Während er weiterredete, zog er sich das Hemd aus dem Hosenbund.
„Ja, amerikanischen Kaffee“, sagte er gerade. „Und frische Milch …“
Catarina starrte auf den flachen Bauch, weiter hinunter zu …
Er drehte sich um. Sie riss den Blick los, ihre Blicke trafen sich, und dann wirbelte sie auf dem Absatz herum und flüchtete ins Schlafzimmer.
Sobald Jake Wasser rauschen hörte, ging er in sein eigenes Schlafzimmer.
Vielleicht narrte Catarina ihn ja auch. Vielleicht hatte sie nur das Wasser aufgedreht und saß zusammengekauert hinter der Schlafzimmertür, wartete auf die erstbeste Gelegenheit zur Flucht in die Freiheit.
Vielleicht wäre das das Beste.
Dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht, als hätte sie … ja, was hatte sie gesehen? Einen Geist? Ein Monster?
Einen Mann.
Wohl zum ersten Mal. Ein halb nackter Mann. Nun, halb nackt war übertrieben, doch für sie …
Ihr Blick. Nicht Angst hatte in ihren Augen gelegen; eher Neugier, Faszination.
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