Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
und Einsortieren der Aktenordner in Mutter Elisabetes Arbeitszimmer.
„Wenn wir einen Computer mit Scanner hätten, könnte ich alle Daten in wenigen Tagen auf Diskette ordnen“, hatte sie nach zwei Wochen dieser nicht zu bewältigenden Aufgabe angemerkt.
Wie dumm von ihr. Dumm, dumm, dumm. Mutter Elisabete hatte sie so entsetzt angestarrt, als hätte sie den Vorschlag gemacht, den Leibhaftigen zum Dinner einzuladen.
„Wir werden diesen modernen Verlockungen nicht erliegen, Miss Mendes. Und woher haben Sie überhaupt von solchen Dingen erfahren?“
Durch Zeitungen und Zeitschriften, die der Bote des Lebensmittelhändlers für sie in die Schule schmuggelte. Aber das konnte sie nicht zugeben. „Ich weiß es eben.“
Zur Strafe wurde sie zwei Wochen lang jeden Abend nach dem Essen auf ihr Zimmer geschickt – wie eine Zwölfjährige anstatt wie eine fast einundzwanzigjährige junge Frau.
Catarina seufzte. Warum in der Vergangenheit wühlen? Noch eine Nacht, dann hätte sie ihre Freiheit zurück, die man ihr mit dreizehn genommen hatte, als Vater und Mutter bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen waren. Ein Großonkel, den sie gar nicht kannte, hatte die Vormundschaft übernommen und sie in diese Klosterschule gesteckt.
Sie war zu sehr in ihre Trauer versunken gewesen, um sich um irgendetwas anderes Gedanken zu machen. Dumpf hatte sie sich in die Schulroutine eingefügt. Hatte zugesehen, wie andere Mädchen achtzehn wurden, ihren Abschluss machten und die Schule verließen. Mit wachsender Erwartung hatte sie ihrem achtzehnten Geburtstag entgegengefiebert.
„Was wird dann passieren?“, hatte sie die Mutter Oberin gefragt. „Wird man mich abholen? Wird mein Großonkel kommen? Wohin werde ich gehen?“
„Dein Onkel wird an diesem Tag kommen, ja“, hatte Mutter Elisabete bestätigt. „Er wird dir alles erklären.“
Catarina war begeistert gewesen. Sie würde ihrem Onkel also zum zweiten Mal begegnen. Sicher würde er sie mit sich nehmen, wohin auch immer das sein mochte. Am Morgen ihres achtzehnten Geburtstags wartete sie zitternd vor Aufregung in Mutter Elisabetes Arbeitszimmer, als er am Gehstock hereingehinkt kam und sich schwerfällig auf einen Stuhl sinken ließ.
„Onkel“, hatte sie ihn höflich begrüßt, „ich freue mich sehr, dich zu sehen.“
Der alte Mann hatte die Hände über dem goldenen Knauf seines Stocks verschränkt und sie aufgeklärt, dass sie an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag ein beträchtliches Erbe von ihren Eltern erhalten würde, so hatten sie es testamentarisch verfügt.
Aber bis dahin müsse sie weiter in der Klosterschule bleiben.
Die Neuigkeit hatte sie erschüttert. Ohne auf den strengen Blick von Mutter Elisabete zu achten, hatte Catarina argumentiert, dass das Volljährigkeitsalter auch in Brasilien auf achtzehn gesunken sei. Ihr Onkel stimmte dem zu, aber das Testament der Eltern sei nun mal lange vor diesem Zeitpunkt aufgesetzt worden. Außerdem hatten die beiden damit wohl sicherstellen wollen, dass sich im Falle ihres Todes keine skrupellosen Mitgiftjäger an eine zu junge, zu naive Erbin heranmachten.
Catarina wusste auch, dass es neue Gesetze gab, die eine Frau in einem solchen Falle schützten.
Auch das bestätigte der Onkel, sagte ihr aber im gleichen Atemzug, dass die Bedingungen im Testament nicht anzufechten seien. Natürlich bliebe ihr immer noch die Wahl, das Erbe abzulehnen.
Selbst mit achtzehn und abgeschieden aufgezogen vom Rest der Welt, war Catarina klar, dass Freiheit zum großen Teil auf finanzieller Unabhängigkeit beruhte, vor allem, wenn man eine Frau war.
Also hatte sie ihre Enttäuschung geschluckt und sich auf weitere drei Jahre in einer Schule eingerichtet, in der man kaum etwas lernte, was in der Welt draußen von Nutzen war.
Die Zeit schlich dahin, dann, vor ein paar Monaten, hatte Mutter Elisabete Catarina zu sich bestellt.
„Es ist eine Änderung eingetreten, Miss Mendes. Ich hielt es für das Beste, dass Sie es sich persönlich anhören.“
Ihr Puls beschleunigte sich. Hatte der Onkel vielleicht doch einen Weg gefunden, das Testament der Eltern zu umgehen? Es blieben nur noch wenige Monate, bis sie einundzwanzig wurde, aber selbst diese wenigen Monate erlassen zu bekommen, wäre ein großes Glück.
Ein weißhaariger älterer Herr wartete auf sie mit ernstem Gesicht. Er stellte sich als Javier Estes vor, Anwalt ihres Großonkels. Ihr Onkel sei verstorben.
Er hielt inne, und an dem mahnenden Blick von Mutter Oberin
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