Julians süßes Blut (German Edition)
in London zu leben.«
»Und Gabriel war in deinem Club? Wie ist er dort reingekommen? Er – wie alt war er damals?«
»Gabriel war fünfzehn«, sagte ich lächelnd. »Ich habe ihn vielleicht auf sechzehn geschätzt – er hat behauptet, er sei achtzehn.« Ich lachte leise.
»Er beobachtete mich eine Zeitlang, und als ich ihn bemerkte, warnte mein Freund Steven mich sofort vor ihm. Das weckte natürlich mein Interesse. Ich verließ den Club, und er kam hinter mir her und stieg in mein Auto. Erst auf der Fahrt zu meiner Wohnung machte er mir ein Angebot.«
»Was für ein Angebot? Und warum hat dein Freund dich vor ihm gewarnt?« Julian war erstaunt.
»Steven sagte mir, daß Gabriel sich verkaufte. Und reiche Männer gnadenlos über den Tisch zog.«
»Er war ... er hat ... er war ein Stricher?« fragte Julian fassungslos.
»Ja, schon. Er hat sich verkauft. Zwar nicht auf der Straße – aber du hast im Prinzip schon recht.«
»Und du hast ihn mit zu dir genommen? Was wolltest du von ihm? Wolltest du etwa mit ihm ... schlafen?«
Ich grinste, als er das sagte. »Nein. Er hat mich interessiert, er sah gut aus ... und ich brauchte jemanden wie ihn, um mich ein wenig aufzumuntern. Denn Brian war zu der Zeit mit deiner Mutter zusammen ...«
Julians Gesicht verdunkelte sich. Ich sah, daß er überlegte, ob er den Rest der Geschichte auch hören wollte.
Langsam erzählte ich weiter: »Ich war ziemlich wütend zu der Zeit.« Was den Nagel nicht ganz auf den Kopf trifft, denn in erster Linie war ich schrecklich eifersüchtig und allein.
»Und ich wollte mich an deinem Vater rächen. So behielt ich Gabriel einige Zeit bei mir und lud Brian eines Abends zu mir ein. Als er den Jungen bei mir sah, war er entsprechend aufgebracht. Aber er hatte auch Mitleid, denn Gabriel sah recht mitgenommen aus.« Obwohl ich es nicht wollte, mußte ich grinsen. Gabriel hatte fürchterlich ausgesehen.
Julian starrte mich an.
»Ich wollte Brian zurück, und dafür mußte ich ihm etwas schenken, was ihm mehr bedeutete als deine Mutter – Gabriel.«
»Du hast Gabriel verschenkt?« Julian war entsetzt.
»Ja, so könnte man das sagen. Und die Rechnung ist aufgegangen.«
»Wie war Gabriel zu der Zeit?« fragte Julian vorsichtig. »Warum hat er das gemacht, sich verkauft?«
»Er war von zu Hause abgehauen, was offensichtlich niemanden störte. Er wohnte bei verschiedenen dubiosen Freunden, und er brauchte einfach Geld für Klamotten, Essen und Drogen. Wie er war, möchtest du wissen? – Er war einsamer, vielleicht etwas schüchterner. Aber eigentlich hat er sich nicht viel verändert.«
»Verrückte Geschichte«, sagte Julian leise.
Ich lachte. »Aber nicht die einzige in meinem Leben.«
Julian wußte, daß er verändert klang, doch er mußte sich bei Monica melden. Er wollte nicht, daß sie sich Sorgen machte. Doch es fiel ihm andererseits sehr schwer, sie zu beruhigen. Es war so viel passiert in den letzten Tagen.
»Ja?«
»Hallo Monica, hier ist Julian.«
»Mein Gott, Julian! Endlich meldest du dich wieder.« Monica klang erleichtert. »Wenn du so selten anrufst, mach’ ich mir immer wahnsinnige Sorgen.«
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, sagte er mit fester Stimme und fragte sich, ob er das wirklich glaubte. »Mir geht’s hervorragend. Ich ... ich überlege, ob ich nicht hierbleiben soll, Monica.«
»Das meinst du doch wohl nicht ernst?« Sie klang überrascht, allerdings nicht angenehm.
»Doch«, erwiderte er. »England gefällt mir. Ich werde mit Brian darüber reden, und mit Alex.«
Monica zögerte einen Moment, dann: »Ist dein Vater schwul? – Ist er mit diesem Alex zusammen?«
Julian war erstaunt über die indiskrete Frage, doch er wußte auch, daß sie sich Sorgen machte. Trotzdem antwortete er ausweichend: »Das ist gut möglich.«
»Aha.« Welche Schlüsse Monica auch immer aus seiner Antwort zog – sie sagte es ihm nicht. »Aber du fühlst dich wohl, dir geht es gut?«
»Ja, Monica. Mach dir doch bitte keine Sorgen mehr. Ich versuche gerade ...«, er dachte einen Moment über die richtigen Worte nach. »Ich versuche gerade, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.« Dann wechselte er rasch das Thema. »Wie geht es den Katzen?«
»Sehr gut, aber sie vermissen dich.«
Julian lächelte traurig. »Sag ihnen, daß ich sie auch vermisse.«
»Ist es vielleicht mal möglich, daß ich mit deinem Vater reden kann?« fragte Monica.
»Was willst du denn mit ihm besprechen?«
»Ich möchte einfach
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