Julians süßes Blut (German Edition)
sich seufzend auf seinen großen, ledernen Schreibtischstuhl fallen.
Brian starrte ihn wütend an. »Julian ist ein Mensch, er sollte einen Schulabschluß haben.«
»Warum kümmerst du dich nicht darum?«
»Kenne ich mich etwa mit dem englischen Schulsystem oder überhaupt mit Schulen in London aus?« gab Brian ärgerlich zurück.
»Das tue ich auch nicht. War ich vielleicht jemals auf einer Schule? – Frag René.« Als Alex Brians Gesichtsausdruck sah, fügte er hinzu: »Bitte, quäl’ mich nicht mit solchen Nichtigkeiten. Er kann meinetwegen auf die beste Schule gehen, die es hier gibt – oder es lassen.«
Ergeben machte Brian sich auf die Suche nach René. Und vertraute darauf, daß dieser die beste Schule aussuchte. Julian war sehr intelligent – Brian wußte, daß er allen Anforderungen entsprechen würde. Außerdem war es Zeit, daß Julian sich wieder mit Menschen umgab – und nicht nur mit Vampiren und ... Hexen. Vielleicht fand er Freunde in seiner zukünftigen Klasse? Doch noch etwas war in seinem Hinterkopf bei diesen Überlegungen: Würden sie keine Schule für seinen Sohn aussuchen, hieße das nicht, daß sein Schicksal längst besiegelt wäre?
Am Abend seines ersten Schultages saß Julian in Jessicas Zimmer. Jessicas Mutter empfand seine Anwesenheit als ausgesprochen angenehm, wenn auch ein wenig ungewöhnlich. Aber sie war froh, daß er hier war, denn durch ihr luxuriöses Leben und ihre schwierige Art hatte Jessica nicht viele Freunde gewinnen können. Und Julian war ein netter Junge. Auch wenn es merkwürdig war, daß er sich mit einem so jungen Mädchen traf.
Jessica saß ihm gegenüber auf dem Bett. »Ist es so schrecklich?« Aber sie konnte seine Abneigung förmlich spüren.
Julian lachte verbittert. »Sie sagen, bist du etwa aus Amerika? – Und starren mich an, als wäre ich vom Mond. Oh, mein Gott, sie sind so überheblich. Das kotzt mich an. Sie tun so, als wären sie die Royals persönlich.«
»Sie fühlen sich wahrscheinlich auch so«, vermutete Jessica. »Vielleicht hätte ich mich dir gegenüber auch so verhalten, wenn Alexander dich nicht mitgebracht hätte. Und du weißt, deine Mitschüler haben alle wahnsinnig viel Geld.«
»Ihre Eltern haben Geld«, erklärte Julian mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich kann auch alles bekommen, was ich mir wünsche. Aber es geht auch nicht um Geld, sondern um meinem Akzent. Sie fühlen sich als was Besseres, weil sie Engländer sind!«
Jessica lachte leise. »Ich mag deinen Akzent.« Sie errötete leicht, doch Julian sah es nicht.
»Danke. Wenigstens eine, die zu mir hält.«
Vorsichtig berührte sie sein Bein. »Hey, du bist doch der große Bruder, den ich mir immer gewünscht habe. Es ist meine Pflicht, zu dir zu halten.«
Julian lachte. »Ja? Wie schön. – Na, ich werde sie schon kleinkriegen ...«
Alex wußte nicht, warum er die Einladung angenommen hatte. Er interessierte sich nicht besonders für moderne Malerei, doch die Künstlerin hatte sich ihm fast vor die Füße geworfen, nur damit er zu ihrer Ausstellung kam. Mira neigte manchmal dazu zu übertreiben. Aber er kannte sie schon einige Jahre, daher konnte er ihr den Wunsch einfach nicht abschlagen.
Sie umgab sich gern mit ungewöhnlichen Menschen; das war auch für Alex unübersehbar, nachdem er sich ein wenig in Miras Galerie umgeschaut hatte. Eher gelangweilt betrachtete er eines der großen bunten Bilder, als er spürte, daß ihn jemand ansah.
Alex fühlte die Blicke des Mannes auf seiner Haut brennen. Warum wurde er beobachtet? Gereizt drehte er sich um, starrte dem Mann direkt in die Augen. Er erwartete, daß dieser seinen Blick abwandte, aber das geschah nicht. Wie alt mochte er sein, fragte sich Alex, als er näher an ihn herantrat.
Seine Lippen formten die Worte: »Warum beobachten Sie mich?«
Der Mann starrte ihn weiterhin an, seine Augen strahlten kein Interesse aus. Sie schienen stumpf zu sein. Plötzlich verzogen sich seine Lippen zu einem schmalen Lächeln. Und Alex sah die unzähligen kleinen Narben in den Mundwinkeln seines Gegenübers.
Er erschrak darüber. Er wußte nicht einmal, warum; aber das Vorhandensein dieser Narben jagte ihm einen Schauder über den Rücken.
Der Mann, er mochte vielleicht vierzig Jahre alt sein, streckte ihm seine schmale lange Hand entgegen. Alex zögerte einen Moment, dann ergriff er sie.
»Sie sind Alexander de Dahomey, nicht wahr?« Sehr leise Stimme, sanft und unaufdringlich.
Überrascht sah Alex
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