Julians süßes Blut (German Edition)
für einen kurzen Moment seine eisige Hand auf Julians Oberschenkel.
»Bleib ruhig. Wir besuchen nur – ähm ... meine Familie.« Er lächelte leicht. »Hast du vielleicht keine Lust mehr?«
»Doch«, preßte Julian hervor. »Ich fühle mich nur etwas unwohl.« Er sah aus dem Fenster.
Häuser, Autos, Laternen flogen an ihm vorbei. Alex fuhr viel zu schnell, er raste. Aber Julian vertraute ihm. Zumindest wußte er, daß Alex ihn nicht in den Tod fuhr .
Dieser bog in eine lange Hofeinfahrt ein, die links und rechts von hohen dunklen Bäumen gesäumt wurde, die Julian nicht erkennen konnte.
»Sind wir gleich da?«
»Ja«, antwortete Alex knapp.
Erstaunt sah Julian aus dem Fenster. Das Anwesen verfügte über riesige Wald- und Weideflächen, die sich direkt an die lange Hofeinfahrt anschlossen. Einige verstreute Laternen beleuchteten den Weg.
»Und hier bist du aufgewachsen?«
Alex zögerte einen Moment. Dann: »Ja.«
»Ist ja unglaublich.«
Alex bremste scharf auf dem großen Platz, direkt vor dem alten, in der Dunkelheit etwas bedrohlich wirkenden Gebäude.
»Das ist ja ein richtiges Schloß!« Julians Stimme kippte fast vor Begeisterung.
Alex runzelte die Stirn. »Ja. Mit einer richtigen Folterkammer«, sagte er schließlich mit Grabesstimme. Julian warf ihm einen bösen Blick zu.
»Verquatsch dich nicht«, ermahnte Alex ihn und stieg aus dem Wagen.
Als Alex zusammen mit Julian das Auto verließ, war Jessica überrascht. Zum einen über die Ähnlichkeit zwischen Brian und ihm, zum anderen, weil er ganz anders war, als sie gedacht hatte. Das verunsicherte sie zutiefst.
Jennifer kam den beiden entgegen, während Jessica sich zunächst im Hintergrund aufhielt.
»Hallo, wie schön, daß ihr gekommen seid«, begrüßte sie Alex und Julian herzlich.
Julian sah sich neugierig um. Er konnte sich nicht vorstellen, wie Alex auf diesem Land aufgewachsen war. Wie er gelebt hatte, ohne den ganzen Luxus, mit dem er sich jetzt umgab.
Da bemerkte er Jessica, die sich fast hinter ihrer Mutter versteckt hielt. Er grinste sie an.
»Hi, ich bin Julian.«
Jessica setzte einen abschätzenden Blick auf. »Hallo.« Mutig kam sie auf ihn zu und gab ihm die Hand. Sie würde sich von diesen unglaublich grünen Augen nicht einschüchtern lassen, das schwor sie sich.
Jennifer führte Julian im Haus herum, und Alex machte es nichts aus, sein Haus noch einmal anzuschauen. Auch Jessica ließ sich nicht davon abhalten, mitzukommen. Aber sie wagte nicht, einen Blick in Julians Gedanken zu werfen. Es schien ihr, als hätte er sie sofort durchschaut. Vielleicht traute sie ihm auch zuviel zu. Aber sein ganzes Auftreten faszinierte sie. Sein dünner Körper, die langen Beine und die verwegene Narbe auf der Stirn, aber vor allem seine smaragd-grünen Augen.
Und auf einmal wünschte sie sich, daß Julian ihr bester Freund würde. Jemand, dem sie ihre Geheimnisse anvertrauen konnte. Bei dem Gedanken daran erschauderte sie leicht.
Julian starrte sie an – hatte er es etwa gesehen?
Leise betraten sie den Pferdestall und wurden mit fröhlichem Wiehern begrüßt. Stolz zeigte Jessica Julian ihren Mashour. Julian verstand nichts von Pferden, doch er bemühte sich, Jessica nicht zu enttäuschen.
Und Mashour tat seinen Teil, um das Band zwischen Jessica und Julian enger zu knüpfen – er durchsuchte sofort freundschaftlich Julians Taschen nach einem Leckerbissen, was er sonst bei Fremden nicht tat, wie Jessica beteuerte.
Alex grinste. Er hatte sich von vornherein gedacht, daß Jessica und Julian sich gut verstehen würden.
Vielleicht würde das Julian helfen, mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben. Er mußte einfach etwas mehr »menschlichen« Umgang haben, fand Alex. Und er wußte, daß mit mit dem Jungen noch längst nicht alles in Ordnung war.
Der Himmel war blaßblau mit kräftigen dunklen Unterbrechungen rund um den schwach orangenen Streifen, der sich wie ein Riß am Horizont entlangzog. Alex schlug die Augen auf. Er lag eine ganze Zeitlang regungslos. Beobachtete das Lichtspiel in seinem Zimmer. Bis die Farben blasser wurden und er schmerzfrei nach draußen schauen konnte. Lange betrachtete er die schwarzen, kahl erscheinenden Bäume, die sich mächtig und ruhig vor dem pastellfarbenen Hintergrund abhoben.
Ein schüchternes Klopfen an seiner geöffneten Tür ließ ihn aufschauen. Claudia sah ihn an.
»Alexander? Als ich heute die Kleidung von Julian aufhängen wollte, fielen diese Tabletten aus seiner
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