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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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Krachen der Wellen auf die Felsen fast unter.
    »Ach, ich weiß nicht.« Er dachte an seine Malerei, an Picasso und andere Künstler, die er bewunderte. »Paris vielleicht oder Sevilla.« Aber eigentlich wollte er nirgendwo anders hin. Er war es noch nicht überdrüssig, die Insel zu malen; er glaubte nicht, dass er das irgendwann einmal leid sein könnte.
    »Hmmm.« Isabella zog die Nase kraus und dachte darüber nach. Andrés wusste, dass sie nichts für langweilige, muffige Museen oder Ausstellungen übrig hatte. Isabella lebte gern und liebte den Tanz. Am glücklichsten war sie draußen, an der frischen Luft. Sie brauchte Freiheit.
    »Wohin möchtest du gehen, Kleine?«, neckte er sie. »Nach Puerta del Rosario? Zum Ziegenhafen?« Puerto Cabras , sohatte die Stadt einmal geheißen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie die Insel verlassen würde.
    Sie schlug ihn gegen den Oberarm. »Da sieht man mal, was du für eine Ahnung hast! Nein.« Jetzt klang ihre Stimme träumerisch. »Ich werde nach London gehen.«
    »Ach ja?« Er schnappte nach ihren Fingern. »Und was willst du dort machen, Schwester?«
    Sie schwang ihre Hände vor und zurück und hüpfte ein paar Schritte. »Ich werde Spaß haben«, erklärte sie. »Ich werde tanzen und auf Partys gehen. Ich werde leben!«
    Andrés lachte. Er wusste, dass an Isabellas Schule eine Lehrerin unterrichtete, die einige Jahre in England gelebt hatte, und vermutete, dass sie ihren Schülerinnen davon erzählt hatte. Sie musste der Grund für Isabellas Begeisterung sein.
    Sie gingen weiter zum Leuchtturm. Sie picknickten in der Sonne, planschten dann in der Lagune, und er zeichnete   – nicht nur den Leuchtturm und das Meer, sondern auch Isabella, wie sie tief schlafend auf dem Bauch im Sand lag. Sie war durch die Vulkanfelsen eines corralito , eines grauen Steinhaufens, der so angelegt waren, dass sie ein Hufeisen bildeten, vom Wind geschützt. Er zeichnete sie, wie sie an die Lavafelsen gelehnt in ihrem Buch las. Und er zeichnete sie später, als sie unten am Strand tanzte, langsam und im Takt einer Musik, die nur sie hörte. Ihr Sarong wellte sich in der Brise, und das lange Haar fiel ihr wie ein Wasserfall auf die gebräunten Schultern.
    Als der Wind nachließ und die Sonne golden und silbern auf dem Meer schimmerte, schwammen Andrés und Isabella im seichten, türkisfarbenen Wasser der Bucht. Sie schwammen hinaus wie Fische, bis Andrés die verfallene alte Anlegestelle bei Los Lagos erspähte, einem Dorf, das in der Ferne lag. Er sah plumpe weiße Häuser mit flachem Dach, zusammengewürfelt mit maurischen Stilelementen und eingestreutem Blau, und dahinter die samtigen Hänge der Berge, die im Dunst runzlig wirkten wie die Haut eines alten Mannes.
    Sie tauchten, hielten sich an den Händen und erkundeten das Leben zwischen Felsen und Sand. Sie bekamen meist bunte Lippfische zu sehen und auch Zackenbarsche, Schnecken, Krabben und Seeanemonen. Das Meer hatte oft gefährliche Strömungen und einen starken Sog, aber die Einheimischen verstanden das Meer und die Wellen. So war es immer schon gewesen.
    Schließlich schwammen sie zum Ufer zurück, lagen erschöpft auf dem hellen Sand und schlichen zurück zu ihrem corralito , wo sie sich gegenseitig abtrockneten und dann in der Wärme der Sonne aalten.
    Später saß Andrés auf den Felsen und fischte nach Seebrassen und vieja   – Papageifischen   –, wobei er Sardinen als Köder benutzte. Er fing ein paar Fische für ihr Abendessen, die er über einem Feuer aus Treibholz grillte. Die Majoreros waren es gewöhnt, das Treibgut, das sie am Meer fanden, zu benutzen. Sie betrachteten es als Geschenke des Ozeans. Der Duft von rauchendem Holz, frischem Fisch und Meer stieg ihnen in die Nase und erfüllte die Luft. Es war ein perfekter Tag.
    Doch anders als Andrés war Isabella nie nach England gekommen. Wie ihre Mutter vor ihr hatte sie sich von Erwartungen, der Tradition und dem, was vorherbestimmt erschien, aufreiben lassen. Andrés seufzte. Er war vertrieben worden, und seine Schwester lebte immer noch in Ricoroque. Aber sie war nicht mit Kindern gesegnet worden. Für sie beide hatte sich dieser alte Traum nicht erfüllt. Er fragtesich, ob sie immer noch zum Meeresufer hinunterging, um zu tanzen, doch er zweifelte daran.
    Er bezweifelte es stark.
    Als Andrés zum Hafen kam, setzte er sich neben einem Haufen Krabbenkörbe, die dort zum Trocknen standen, auf eine Bank und zog sein Handy hervor. Beinahe hätte er Ruby

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