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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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gab.
    »Komm schon, Liebes«, hatte sie gesagt. »Gibt nicht auf.«
    »Was meinst du?«
    »Andrés.«
    »Ich bin nicht diejenige, die aufgegeben hat«, erinnerte Ruby sie.
    »Für mich klingt es aber so«, erwiderte Mel. »Ich dachte, er wäre etwas Besonderes.«
    Das hatte Ruby auch gedacht.
    »Hat dir noch nie jemand gesagt, dass man niemals etwas Besonderes aufgeben soll, Ruby?«, fragte sie. »Jedenfalls nicht kampflos.«
    Das hatte sie sicher recht. Aber   … »Wie sieht es bei dir aus?«, hatte sie gefragt.
    »Komisch, dass du ausgerechnet jetzt danach fragst.« Mel wusste genau, was Ruby meinte. »Stuart und ich haben uns gestern Abend lange unterhalten. Wir haben darüber gesprochen, was wir wirklich wollen, verstehst du?«
    »Ich weiß.«
    »Und mir ist klargeworden, dass ich Angst hatte.«
    »Angst?« Das konnte Ruby sich nicht vorstellen. Mel war immer die Mutigere von ihnen beiden gewesen. Schon damals als Teenager war es immer Mel gewesen, die sich getrauthatte, die Jungs anzusprechen. Vielleicht hatte sie sich auch nur immer besser darauf verstanden, eine tapfere Miene aufzusetzen? »Wovor, Mel?«
    »Das zu verlieren, wofür ich so hart gearbeitet habe. Dass sich mein Leben verändert. Dass ich nicht mehr selbst über mein Leben bestimmen kann.« Mel schwieg.
    »Und jetzt?«, fragte Ruby.
    »Ich habe mit Stuart geredet und gemerkt, dass ich keine Angst zu haben brauche«, erklärte Mel. »Und dass ich gar nichts verliere. Der Laden, mein eigenes Leben   … Das kann ich alles behalten.«
    »Du kannst nur gewinnen«, meinte Ruby leise.
    »Genau.«
    Unser Leben   … Und Ruby wusste, dass Mel Stuart hatte, und was immer passierte, was immer die beiden beschließen würden, ihr würde es gut gehen.
    Aber hatte sie das mit Andrés auch? Sie war sich nicht sicher.
    Unterdessen hatte der Wind aufgefrischt. Diese Landschaft, die vom Wind verändert und geformt wurde, musste sich ständig in Bewegung befinden. Sogar an den corralitos sammelten sich Sandwehen, die eher wie Schnee aussahen. Es kam ihr so vor, als existierten diese Steinhaufen an einem Tag, um am nächsten zu verschwinden und Teil einer Düne zu werden. So änderten sich Dinge, und man konnte sich nie sicher sein, was man vorfinden würde.
    Als das Strandhaus direkt vor ihr lag, blieb sie stehen. Wie sie damals, als sie es das erste Mal gesehen hatte, schon gedacht hatte, war es bizarrerweise auf dem Sand erbaut worden. Es stand neben dem Weg, der zum faro führte. Auch in anderer Hinsicht war es ein ungewöhnliches Bauwerk.Denn das Haus bestand aus Steinen, die in Beige und Orange bemalt waren, und die einfache Bauweise erinnerte an das Werk von Kindern. Die Konturen der Fenster, der birnenförmige, konisch geformte Kamin und das schräge, orangefarbene Dach wiesen einen maurischen Schwung auf. Umgeben war das Haus von einer niedrigen Steinmauer, die aus lose aufgestapelten schwarzen Vulkanfelsen bestand. Ruby atmete ein paar Mal durch und versuchte, sich zu beruhigen. Das war es. Dies hier war der Ort von den Fotos.
    Als sie näherkam, konnte sie immer noch niemand entdecken. Sollte sie einfach an die Tür gehen und klopfen? Rubys Herz pochte in ihrer Brust. Sie dachte an Vivien. Ich verstehe, warum   … Aber Laura hatte Ruby weder großgezogen noch für sie gesorgt   – abgesehen von den ersten Wochen. War es falsch, dass Ruby nach ihr suchte? Sollte sie nicht lieber alles lassen, wie es war?
    Aber sie konnte einfach nicht. Laura hatte hier gelebt, und Ruby hatte es ebenfalls getan, wenn auch nur ein paar kurze Wochen. Vielleicht lag dieser Ort ja auch Ruby im Blut. Sie zog die Fotos hervor, betrachtete die Landschaft und überlegte, wo jedes einzelne aufgenommen worden war. Da war die orangefarbene Wand des Strandhauses, an die Laura sich gelehnt hatte, als dieses Foto gemacht worden war. Dort war der corralito   – ein natürlicher corralito , dessen Seiten gerundet und tief in den Sand eingegraben waren   –, wo sie gesessen und Gitarre gespielt hatte. Jetzt war dort bis auf eine dünne Schicht goldenen Sandes auf dem schwarzen, narbigen Lavaboden nichts zu sehen. Hier hatte der psychedelische VW -Campingbus geparkt. Die Straße hierher war lang und in einem katastrophalen Zustand, und man konnte kaum glauben, dass der Bus es überhaupt geschafft hatte. Aber er hattees getan. Das Foto hier war der Beweis dafür. Die roten und weißen Streifen des Leuchtturms waren von hier aus leicht zu erkennen. Und da war das Meer, klar und

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