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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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und sie am Wochenende besuchen kam. Sie hielten das für schrecklich romantisch. Aber Vivien wollte mehr.
    »Natürlich würde ich das«, sagte er.
    »Das Semester ist fast zu Ende«, erklärte sie. »Vielleicht könnte ich dich ja in den Ferien besuchen.« Ab September würde sie an der pädagogischen Hochschule in Kingston upon Thames studieren. Es war alles schon geplant. Lehrerin zu werden, war immer ihr Wunsch gewesen   – bevor Tom gekommen war.
    »Ich hatte gedacht   …« Er räusperte sich. »Hast du schon einmal überlegt, in meiner Nähe zum College zu gehen?«
    Vivien blieb beinahe die Luft weg. »Warum sollte ich das wohl tun?«, zog sie ihn auf.
    »Um näher bei mir zu sein«, sagte er. »Wenn du willst, können wir zusammenziehen.«
    Wenn du willst   … Nichts wünschte sie sich mehr. Sie hatte nur darauf gewartet, dass er sie fragte. »In Ordnung«, sagte Vivien und machte mit zwei Worten zwei Jahre Planung zunichte.
    Und das war es gewesen.
    »Du machst was?« Ihre Mutter war entsetzt. »Das ist ja wohl ein Witz«, sagte sie. »Wie kannst du wegen irgendeines dahergelaufenen Jungen alles wegwerfen? Du bist viel zu jung, um zu wissen, was du willst.«
    Aber Tom war nicht irgendein Junge, und Vivien wusste sehr genau, was sie wollte. Tom war ganz auf sich allein gestellt. Er brauchte sie. Und sie brannte darauf, in Sünde zu leben   – das klang gefährlich und aufregend zugleich.
    Vivien hatte die pädagogische Hochschule dann nie besucht, sondern in Abendkursen Kunst studiert. Tom hatte gerade erst seine Ausbildung abgeschlossen, und das Geld war knapp; daher suchte sie sich einen Job als Verkäuferin. Sechs Monate später machte Tom ihr einen Antrag, und Vivien nahm ihn an. Sie heirateten auf dem Standesamt von Bridport.
    Vivien sah Tom liebevoll und wütend zugleich an. Tom war ihr Ehemann, Liebhaber, bester Freund und Seelengefährte. Sie liebte alles an ihm. Ganz besonders gern betrachtete sie seine Hände, während er mit Holz arbeitete und meißelte und formte, schliff und polierte. Er arbeitete für eine Firma in der Gegend, aber irgendwann wollte er seine eigene Firma gründen. Er war ehrgeizig, er wusste, was er erreichen wollte. Sie mochte es, wie er sie neckte und zum Lachen brachte. Es gefiel ihr, wenn er schlecht gelaunt war und sie seine Stimmung verfliegen lassen konnte, indem sie ihm die Schultern massierte und ihn auf die Mundwinkel küsste. Sie mochte es, wie er sich vollkommen verlor, wenn sie sich liebten, und nachher mit einem ganz leeren, staunenden Blick wieder zu sich kam und sie ganz fest hielt. Sie mochte das Leben und die Liebe in ihm, seine Stärken und seine verletzlichen Seiten. Und ja, er war ihr immer genug gewesen. Aber jetzt wollte sie mehr.
    »Warum gerade jetzt?«, fragte Tom. Er schob seinen Teller beiseite. »Warum die Eile?«
    Meine biologische Uhr tickt, dachte Vivien. »Wir versuchen es jetzt seit fünf Jahren, Tom«, erinnerte sie ihn sanft. Sie hatte gedacht, es würde einfach so passieren. Vivien betrachtete die Kerze, die auf dem Tisch flackerte, starrte auf das Essen, das auf ihrem Teller in seiner fest gewordenen Soße lag.
    »So viel Zeit ist das auch wieder nicht«, gab er zurück. »Wir sind noch jung und haben noch viel Zeit.«
    Warum hatte dann Vivien das Gefühl, dass ihr die Zeit davonlief? Er wünschte sich ein Kind nicht so sehr wie sie   – das war offensichtlich. Wie konnte sie ihm begreiflich machen, dass ein Baby keine Bedrohung für ihn war? Ein Kind würde ihrer beider Summe sein, ein Teil ihrer Liebe, eine Bereicherung. Sie wären nicht mehr nur ein Paar, sondern eine Familie. »Ich meine ja nur, dass wir uns mal untersuchen lassen sollten, Tom   …«, begann sie.
    »Ich will keine verdammten Untersuchungen. Kapierst du das nicht?« Dann sprang er auf und verließ den Raum. Die Tür knallte hinter ihm zu.
    Nein, sie verstand es nicht. Wovor hatte Tom Angst?
    Sie begann abzuräumen. Man kann nicht alles haben, dachte sie, während sie die Teller aufeinanderstapelte. Warum auch? Sie hatte Tom. Er hatte recht, das sollte genug sein. Das Problem war nur, dass sie schon länger das Gefühl hatte, dass ihrem Leben etwas ganz Entscheidendes fehlte. Und sie wusste genau, was es war. Sie trug das Tablett mit den Platten und Tellern in die Küche und stellte es neben das Spülbecken. Sie fand, dass es nicht zu viel verlangt war. Denn in letzter Zeit war dieses Gefühl immer stärker geworden. Einen Moment lang stützte sie sich auf das

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