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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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ein, oder hatten sich ihre Wangen leicht gerötet?
    »Meine Geburt ist aus irgendeinem Grund verspätet eingetragen worden«, sagte Ruby.
    »Ja, so war es.« Frances schaute nachdenklich drein.
    Ein paar Sekunden lang schwiegen beide.
    Ruby löste etwas weißes Fischfleisch von der Gräte und schob es in den Mund. Sie hatte ihren Teil der Vereinbarung eingehalten, und jetzt war Frances an der Reihe, ihr die Wahrheit zu erzählen. Warum zögerte sie? Hatte sie versprochen, das Geheimnis ihrer Mutter zu bewahren?
    Ruby schluckte. »Mum würde wollen, dass du mir die ganze Geschichte erzählst«, sagte sie. Familiengeheimnisse waren gut und schön, aber hatte nicht jeder das Recht, die Wahrheit über seine eigene Geburt zu erfahren?
    »Oh, das weiß ich«, pflichtete Frances ihr bei. »Sie würde nicht wollen, dass du im Dunkeln tappst. Das hat sie mir selbst gesagt.«
    »Also dann   …« Ruby holte noch einmal tief Luft. »Ist sie meine Mutter?«, fragte sie. »Meine leibliche Mutter, meine ich.«
    Frances trank einen Schluck von ihrem Wein. »Was deine Mutter   – und dein Vater übrigens auch   – getan haben, das war nur zu deinem Besten, meine Liebe«, sagte sie. »Vielleicht war es falsch, was sie getan haben. Aber sie haben immer nur in deinem Interesse gehandelt.«
    Das würde sich noch herausstellen, dachte Ruby. Aber was genau hatten die beiden getan? »Erzähl es mir einfach«, bat sie.
    »Vivien war ein guter Mensch.« Wieder verlor sich Frances’ Blick in die Ferne.
    Aber das war die Vergangenheit. In der Gegenwart wollte Ruby jetzt ein paar Antworten.
    »Sie hat dich mehr als alles andere auf der Welt geliebt«, sagte Frances. »Egal, was ich dir erzählen werde, daran musst du immer denken. Niemand hätte dich mehr lieben können.«
    Ruby spürte, wie ihr erneut die Tränen in die Augen traten. Verdammte Tränen, sie lauerten überall. Das war ja alles schön und gut, aber   … »Aber sie ist nicht meine Mutter? Stimmt das?« Ruby kippte einen großen Schluck Wein hinunter. »Komm schon, Frances. Spuck es aus.«
    Frances seufzte. »Nein, du bist nicht Toms und Viviens Tochter«, erklärte sie. »Jedenfalls nicht ihre leibliche.«

13. Kapitel
    DORSET, APRIL 1978
    E s klopfte leise an der Tür, doch Vivien hörte es.
    Mit einem leisen Seufzer legte sie den Pinsel weg und stand auf. Sie hatte nie genug Zeit, um an ihren Bildern zu arbeiten. Wenn Tom unterwegs war, dauerte es nie lange, bis sie ihr Material hervorholte und die Gelegenheit nutzte. Sie liebte ihn über alles, aber Zeit für sich schien manchmal fast ein verbotener Luxus zu sein. Sie öffnete die Tür.
    Einen Moment lang erkannte sie das Mädchen nicht, das da vor ihr stand. Es hatte begonnen zu regnen; dicke, fette Tropfen zerplatzten auf dem mit Bruchsteinplatten belegten Weg. Tom hatte Tagetes gepflanzt   – um die Schnecken zu vertreiben, wie er sagte   –, und sie standen am Wegrand wie Rekruten, die entschlossen sind, nicht aus der Reihe zu tanzen. Dann begriff sie. »Laura?«
    Nun, sie hatte sie ja auch eine Zeit lang nicht gesehen. Und ihre Mutter   … Oh, die Ärmste! »Laura.« Ihre Stimme klang jetzt weicher. Sie hatte gewusst, dass das passieren würde. Aber trotzdem fühlte sie sich jetzt ein wenig überrumpelt. Vivien streckte eine Hand aus und zog die junge Frau ins Haus.
    Laura Woods blinzelte. »Hallo, Vivien«, sagte sie.
    Sie trug einen langen, mit roten Rosen bedruckten Baumwollrock und ein besticktes, gesmoktes Oberteil. Seit Vivien sie zuletzt gesehen hatte, hatte sie stark abgenommen, undihre blonden Haare waren lang und strähnig. An ihrem Arm baumelte ein schäbiger Weidenkorb, und über ihrer Schulter hing eine bunte Stofftasche.
    »Komm doch herein«, sagte Vivien, obwohl sie schon im Haus waren. Sie hatte einfach irgendetwas sagen wollen, nur nicht das, was sie sagen musste. »Es tut mir so leid, Laura.«
    Das Mädchen nickte, ohne aufzublicken. Es machte einen leicht verwirrten Eindruck und schien mit seinen Gedanken nicht ganz da zu sein. Das war nicht verwunderlich. Wie es sich wohl anfühlen mochte, mit gerade einmal zwanzig Jahren seine Mutter zu verlieren?
    Ein Schauer durchlief Laura. »Ich bin sofort zurückgekommen, als ich es gehört habe«, sagte sie schließlich, als hätte Vivien ihr einen Vorwurf gemacht.
    »Natürlich.« Vivien nickte. Sie war zwar vorher wütend auf sie gewesen, weil sie keinen Kontakt zu ihrer Mutter gehalten hatte, aber sie hatte andererseits Verständnis für Laura,

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