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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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hob eine Hand. »Sie hat gelitten«, meinte sie zustimmend. »Aber wir können dieses Leid jetzt nicht mehr ungeschehen machen. Niemand vermag das. Der Doktor jedoch ist in der Lage, dem ungeborenen Kind zu helfen.«
    Wenn man es so betrachtete, schien alles richtig zu sein. Aber die Art, wie Dr. López gesprochen hatte   …
    »Das hast du missverstanden, meine Tochter«, erklärte ihr die ehrwürdige Mutter. »Du hast eine lebhafte Fantasie, die du zum Schweigen bringen musst. Du erlaubst dir, dir über Dinge Gedanken zu machen, die dich nichts angehen. Du musst an den Doktor glauben und ihm vertrauen. Er weiß, was zum Wohl der Allgemeinheit getan werden muss. Er ist ein hoch geachteter, äußerst gebildeter Mann, eine Stütze der Gesellschaft. Sein Weg ist der richtige. Es ist Gottes Weg. Man muss ihm folgen, ohne Fragen zu stellen. Hast du mich verstanden, Kind?«
    »Ja, ehrwürdige Mutter.« Schwester Julia senkte den Kopf. Natürlich, es war alles ein Missverständnis. Bestimmt hatte der Doktor von einem anderen Mädchen, einem anderen Vater gesprochen. Und selbst wenn nicht   … Was er tat, geschah aus den besten Beweggründen, daran durfte sie nicht zweifeln. Er versuchte, den Schwachen, den Unschuldigen, den ungeborenen Kindern zu helfen.
    »Du musst deinen Willen aufgeben und dich ganz dem Willen Gottes unterwerfen.«
    »Ja, ehrwürdige Mutter.«
    »Du musst weiter ein Licht des Glaubens, der Hoffnung und der Wohltätigkeit sein«, setzte sie hinzu. »Bleibe verwurzelt im Herzen Christi.«
    Schwester Julia ging in die Kapelle, um niederzuknien undzu beten. Natürlich verhielt es sich so. Sie hatte an Dr. López und dem guten Werk, das er tat, gezweifelt. Sie war schwach gewesen, doch jetzt würde sie um die Kraft beten, es besser zu machen. Sie schloss die Augen und öffnete ihre Seele für die Stille der Kapelle. Sie stellte sich vor, einen Chor von Engelsstimmen zu hören, der einen Psalm aus der Bibel sang. Die Stimmen beruhigten ihren aufgewühlten Geist. Schwester Julia hörte in diesen Stimmen den schwachen Klang der Hoffnung. Und so betete sie.
    Vater, hilf mir, Deinen Willen zu tun. Zeig mir den Weg   …

15. Kapitel
    W er bin ich   …? Seit Wochen ging ihr diese Frage immer wieder im Kopf herum. Endlich bekam Ruby ein paar Antworten. Wenigstens wusste sie jetzt, wer ihre leibliche Mutter war. Es war Laura, das Mädchen auf den Fotos, die sie gefunden hatte. Sogar damals, als Ruby ihr Gesicht zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sie etwas empfunden, obwohl sie versucht hatte, es zu ignorieren.
    Den Eltern, die sie großgezogen, für sie gesorgt und sie in dem Glauben gelassen hatten, dass sie ihr Kind war, ihr eigenes Kind, waren also gar nicht ihre Eltern gewesen. Ruby ließ diesen Gedanken auf sich wirken, spürte ihren Verlust von Neuem. Sie hatte etwas verloren, das sich schwer beschreiben ließ. Ihre Wurzeln? Ihren Anker? Ruby war sich nicht sicher. Sie wusste nur, dass sie sich steuerlos fühlte, als sei ihr alles, woran sie immer geglaubt hatte, plötzlich entzogen worden.
    Sie warf Frances einen hilflosen Blick zu. Und jetzt?
    »Es tut mir leid, Ruby.« Frances’ Augen flossen vor Mitgefühl über. Aber das half Ruby auch nicht weiter.
    Sie versuchte, eine Bestandsaufnahme anzustellen. Während sie ihren Wein trank, ließ sie das, was Frances ihr bisher erzählt hatte, Revue passieren. »Dann weiß ich also auch nicht, wann ich geboren bin.« Die Menschen, die sie für ihre Eltern gehalten hatte, hatten ihr Geburtsdatum nie gekannt, und ihre leibliche Mutter konnte sich nicht einmal daran erinnern   …
    »Das genaue Datum nicht, nein.« Frances tätschelte ihr die Hand. »Sie haben getan, was sie konnten, Liebes.«
    »Ja.« Ruby dachte zurück an die Geburtstage ihrer Kindheit, an die Geschenke und die Partyspiele. Sie erinnerte sich an ihren achtzehnten Geburtstag, an dem sie volljährig geworden war und sich plötzlich ganz anders gefühlt hatte, als wäre sie auf magische Art mit einem Mal erwachsen geworden. Älter oder jünger, kam es wirklich so sehr darauf an? Ja, allerdings. Jeder hatte einen Geburtstag. Dieser Tag war etwas Besonderes. Warum sollte das für sie nicht gelten? Aber es war nicht die Schuld ihrer Eltern. Wahrscheinlich hatte Frances recht. Sie hatten getan, was sie konnten.
    Trotzdem   … Es war alles eine Lüge gewesen.
    »Warum haben sie es mir nie gesagt?«, fragte sie Frances und hörte den Zorn in ihrer eigenen Stimme. Sie wollte die beiden nicht

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