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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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passte das alles zusammen?
    »Allerdings   …«, gab der erste Mann zurück. Er beugte sich über den Tisch, und Schwester Julia musste sich anstrengen, um ihn verstehen zu können. »… leben wir jetzt in einer Welt des Nationalkatholizismus.«
    Aha. Jetzt begriff Schwester Julia, was er meinte. Sie hatte neulich eine Zeitung gelesen, die eine Frau in der Klinik liegen gelassen hatte. Darin wurde General Franco als ein »von Gott geschickter Mann« beschrieben, »der stets im richtigen Moment auftaucht und den Feind schlägt«. Diese Worte   – starke Worte   – waren ihr im Gedächtnis geblieben. Es war die Arriba gewesen, eine zugegebenermaßen regimetreue Zeitung. Trotzdem hatten sich die Nationalisten und die katholische Kirche vereint, hatte Schwester Julia überlegt. Wer hatte jetzt das Sagen?
    Una, grande y libre . Noch eine andere Parole hörte man heutzutage auf den Straßen: »Durch das Reich zu Gott.« War ihre Kirche politisch geworden? Und wenn ja, welche Folgen würde das haben?
    In der Klinik näherten sich zwei Frauen   – beide madres solteras , alleinstehende Mütter   –, dem Ende der ersten Wehenphase und sollten in den Kreißsaal geschoben werden.
    Schwester Julia sprach die Morgengebete eiliger als sonst, und Dr. López traf früh zu seiner Visite ein und übernahm. Auch die Hebamme und die Krankenschwester waren anwesend. Schwester Julia stand hinter dem Bett einer der Frauen. Sie hieß Leonora Sánchez, und Schwester Julia hielt ihre Hand und versuchte, ihr Gebet und Trost zu spenden.
    »Hilfe, Mutter, Hilfe, Mutter«, stöhnte Leonora.
    »Ihre Mutter hilft Ihnen jetzt nicht«, versetzte Dr. López finster. »Sie müssen Ihre Vergebung von Gott erlangen. Sie müssen Ihre Sünden bereuen und Ihr Kind in Gottes Hände geben.«
    Aha. Schwester Julia rieb der Frau den Rücken, als die nächste Wehe kam. Die Kontraktionen folgten jetzt rascher aufeinander. Dann hatte Leonora sich also noch nicht einverstanden erklärt, ihr Kind zur Adoption freizugeben. Hatte sie vorgehabt, schwanger zu werden? Vermutlich nicht. Welche alleinstehende Frau wollte das schon? Aber es kam vor, und wenn es einmal passiert war   …
    »Es ist eine schreckliche Sache«, hatte der Arzt einmal zu Schwester Julia gesagt, »aber in manchen Ländern ist es legal, das Kind zu töten, bevor es überhaupt geboren wird.« In Spanien war es nicht so. Abtreibung war nicht nur verboten, sondern wurde auch zutiefst verabscheut. Was sollten Frauen wie Leonora also tun?
    Dr. López schüttelte frustriert den Kopf. »Ich muss sehen, wie stark Sie erweitert sind. Schwester!«
    Leonoras Beine wurden in die Halterungen gelegt und gespreizt. Dr. López beugte sich über sie und untersuchte sie.
    »Ganz ruhig«, murmelte Schwester Julia. »Seien Sie ganz ruhig.« Die Stellung, in der die Frau lag, schien ihre Schmerzen noch zu verschlimmern. Seit wann zwang man Frauen,sich zur Entbindung hinzulegen, sodass ihnen sogar die Hilfe durch die Schwerkraft verweigert blieb? Wann hatte man Erfindungen wie die Beinhalterungen eingeführt, durch die Ärzte zwar besser sehen, aber die gebärenden Frauen sich kaum rühren konnten?
    Dr. López wandte sich an die Hebamme. »Sie muss in den Kreißsaal gebracht werden. Das Kind kommt.«
    Wie zur Bestätigung schrie Leonora auf. Aber sie griff nach Schwester Julias Hand, und diese spürte darin auch die Aufregung und die Leidenschaft, die mit einer Geburt verbunden sind.
    »Ganz ruhig«, sagte Schwester Julia. »Gott ist mit Ihnen.«
    »Das werden wir noch sehen«, fauchte der Arzt.
    Die Hebamme war mit der anderen werdenden Mutter beschäftigt, einem Mädchen, das sein erstes Kind bekam und selbst fast noch ein Kind war. Sie wünschte sich nichts mehr, als das Baby loszuwerden, sobald es geboren war.
    »Bleiben Sie bei ihr«, ordnete Dr. López an, der die Lage neu überdacht hatte. »Schwester Julia wird sich um diese Frau kümmern.« Er schien Leonoras Schmerzen mit einer Handbewegung abzutun.
    Wieder schrie sie auf.
    Schwester Julia gefiel ihr Anblick nicht. Ihre Augen waren blutunterlaufen, und sie war weiß wie eine Wand. »Können wir ihr nicht etwas gegen die Schmerzen geben, Doktor?«, fragte sie. Sie schnallte die Beine der Frau los und schickte sich an, das Bett zu verschieben. Die jüngere der Krankenschwestern eilte herbei, um ihr zu helfen.
    »Dazu ist es zu spät.«
    Noch ein Schrei, lang gezogen und durchdringend.
    » Unter Schmerzen sollst du Kinder gebären «, donnerte Dr.

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