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Julias kleine Sargmusik

Julias kleine Sargmusik

Titel: Julias kleine Sargmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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aufriss.
    Nur ein Yard, vielleicht zwei…
    Jetzt schob sie sich über den Boden. Blut rann aus den Nasenlöchern, und hinter ihr bahnte sich der Schleim, in dem die Monstren eingepackt waren, seinen Weg.
    Die Hölle konnte nicht schlimmer sein.
    Zoll für Zoll kroch die verzweifelte Frau weiter. Dass ein Telefon schrillte nahm sie gar nicht wahr. Die Tür war jetzt wichtiger, der Weg in den Regen, in die kühle Luft und damit auch in die Freiheit. Ein Irrtum!
    Urplötzlich wurde die Tür von außen aufgestoßen. Sie hatte einen kräftigen Schlag erhalten.
    Auf der Schwelle stand Julia, die Tote. Und sie lächelte, während der Bogen über die Saiten der Geige strich…
    ***
    Sie war wieder da, und sie machte sich bemerkbar. Wie ein Gespenst erschien sie in den feinen Regenschleiern am Beginn der Hauptstraße. Sie wusste, dass die Zeit reif war und sie nichts mehr abhalten konnte.
    Nur eins musste sie noch. Spielen!
    Das tat sie auch. Sie nahm die Geige in die linke Hand, hob den Arm hoch und stemmte die Höhlung des Instruments gegen ihren Hals. Dann hob sie den Bogen, der wie ein Windhauch über die Saiten des Instruments strich, und ihm die ersten Klänge entlockte. Es waren genau die Melodien, die sie so sehr liebte. Schrill, anders, von einer fernen, vergessenen, untergegangenen Welt erzählend und auch von anderen Zeiten.
    Der Regen hüllte sie ein wie ein Vorhang. Grau in Grau sah die Umgebung aus. Die Häuser waren nur mehr als Schatten zu erkennen. Hinter manchen Fenstern brannte Licht. Die gelben Rechtecke wirkten innerhalb der Tristesse wie kleine Inseln.
    Julia schritt durch den Regen. Sie ging barfuß. Es machte ihr nichts aus, dass die Füße mit der aufgeweichten Erde bedeckt waren, die hin und wieder von kleinen Wasserstrudeln abgespült wurde. Das Haar glänzte nass. Die einzelnen Strähnen hingen wie feuchte Streifen rechts und links der Wangen. Wasser perlte über ihre Haut. Eng und nass lag die weiße Kleidung an ihrem Körper.
    Aber sie spielte…
    Nichts konnte sie aufhalten, es gab keinen Grund, sie in ihrem Spiel zu unterbrechen. Die für menschliche Ohren disharmonischen Melodien schienen von den einzelnen Regentropfen getragen zu werden, damit sie auch die Ohren der Zuhörer erreichten. Das gelang auch, aber kein Dorfbewohner traute sich nach draußen.
    Die Menschen blieben in ihren Häusern, die im Grau des Tages und des herabfallenden Regens wie geduckt wirkten, als hätten sie vor den Mächten und Elementen der Natur Angst.
    Hin und wieder durchbrach ein Schatten die quadratische und verwaschene Helligkeit eines Fensters. Ein kurzer Stopp an der Scheibe, vielleicht ein Blick nach draußen, dann das hastige Zurückziehen. Das Geigenspiel der Julia Landers hatte gewirkt. Die Menschen spürten, dass etwas gekommen war, dem sie nichts entgegenzusetzen hatten. Auch konnten sie sich das Phänomen nicht erklären. Es war da, es drang weiter vor, es lebte…
    Und Julia spielte. Manchmal, wenn sie mit ihren gleichmäßigen Schritten weiterging, legte sie den Kopf schräg. Dann schaute sie über die Geige hinweg, sah den fallenden Vorhang aus Sprüh, und um ihre Lippen zuckte ein Lächeln.
    Sie wusste genau, dass man auf sie wartete. Ihr war bekannt, wer in den Tiefen der Erde lauerte, dass es die Wesen waren, mit denen sie schon einmal Bekanntschaft geschlossen hatte.
    Eine Rückkehr stand dicht bevor. Sie brauchte nur mehr zu spielen und den Bogen über die Saiten gleiten zu lassen.
    Die schrille Musik der Geige war der Ruf. Er würde in die entferntesten Tiefen dringen und die hervorlocken, die in einem langen, tiefen Schlaf lagen.
    Die Vergessenen waren nicht vergessen…
    Und so ging sie weiter. Schritt für Schritt näherte sie sich ihrem ersten Ziel. Eine gespenstische Gestalt im dünnen Sprüh des Wassers. Einsam und dennoch froh, wieder die zu werden, die sie einmal gewesen war. Damals, vor mehr als 10.000 Jahren. In einem Land, so wunderbar, dass einige Menschen es mit dem Paradies verglichen hatten. Ein Land, inmitten einer Welt der Primitiven. Noch vor der minoischen Kultur und vor der griechischen hatte es dieses Land gegeben, das leider versunken war.
    Aber Atlantis lebte. In ihr, in diesem Mädchen, und jeder Schritt brachte die Botschaft näher an die Menschen.
    Keine frohe, keine gute, eine Botschaft des Schreckens, denn auch das Böse hatte überlebt. Wie das Gute, beide waren einfach nicht auszumerzen.
    Schrill wurden die Klänge der Geige, noch schriller als zuvor. Wieder wehten

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