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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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Namen genannt als dem seinigen
[Dieser falsche Name war, wie man in der vierten Abtheilung sieht, Saint Preux.]
. Ich versprach ihm, daß er dich in der nächsten Nacht sehen sollte, unter der Bedingung, daß er nur einen Augenblick bleiben, daß er kein Wort sprechen und daß er den andern Morgen vor Tages Anbruch abreisen sollte: ich nahm ihm darauf das Wort ab. Nun war ich ruhig; ich ließ meinen Mann bei ihm und kehrte zu dir zurück.
    Ich fand dich merklich besser; der Ausschlag war vollkommen heraus, der Arzt machte mir Hoffnung und Muth, Ich nahm mit Vabi im Voraus Abrede, und da die Rückkehr des Fiebers, obwohl schwächer,dir doch noch den Kopf benommen hatte, so benutzte ich die Zeit, um alle Leute zu entfernen und meinem Manne sagen zu lassen, daß er mit seinem Gaste kommen sollte, indem ich dachte, daß du vor dem Ende des Anfalls nicht wohl im Stande sein würdest ihn zu erkennen. Wir hatten alle Mühe von der Welt, deinen jammernden Vater wegzuschicken, der jede Nacht darauf bestand, diesmal da zu bleiben. Endlich sagte ich ihm zornig, er würde Niemanden eine Mühe abnehmen, ich sei ebenfalls entschlossen zu wachen, und er wüßte wohl, daß seine Zärtlichkeit, wenn er auch der Vater wäre, nicht wachsamer wäre als die meinige. Mit Widerstreben ging er? wir blieben allein. Herr von Orbe kam gegen elf Uhr und sagte mir, daß er deinen Freund vor der Hausthüre gelassen habe; ich ging zu ihm hinaus, ich nahm ihn bei der Hand, er zitterte wie ein Espenlaub. Als wir durch das Vorzimmer gingen, versagten ihm die Kräfte; er athmete mit Mühe und war genöthigt, sich zu setzen.
    Dann einige Gegenstände unterscheidend bei dem schwachen Scheine eines entfernt stehenden Lichtes, sagte er mit einem tiefen Seufzer: Ja, ich erkenne den Ort wohl. Einmal in meinem Leben bin ich durchgekommen .... um dieselbe Stunde .... eben so heimlich .... ich zitterte wie heut .... das Herz schlug mir ebenso .... O Vermessenheit! Ich, ein Sterblicher und wagte zu kosten .... Was werde ich jetzt an derselben Stätte sehen, wo Alles die Wollust athmete, von der meine Seele berauscht war, an demselben Gegenstande, der meine Entzückung weckte und theilte? Ein Bild der Vergänglichkeit, einen Jammeranblick, die Tugend mit Leiden geschlagen und die Schönheit sterbend!
    Liebe Cousine, ich will deinem armen Herzen die Schilderung dieses wehmüthigen Auftrittes ersparen. Er sah dich und schwieg; er hatte es versprochen. Aber welch ein Schweigen! Er warf sich auf die Kniee; er küßte schluchzend deine Bettvorhänge; erhob die Hände und die Augen empor; er ächzte dumpf; kaum konnte er sich halten, daß er nicht laut schrie vor Schmerzen. Ohne ihn zu sehen, stecktest du mechanisch eine Hand heraus; er ergriff sie mit einer Art Wuth; die glühenden Küsse, die er auf diese wunde Hand drückte, weckten dich besser als das Geräusch und die Stimmen von Allem, was dich umgab. Ich sah, daß du ihn erkannt hattest, und trotz seines Sträubens und Jammerns riß ich ihn augenblicklich aus deinem Zimmer, der Fiebertraum, dachte ich, würde mir einen Vorwand geben, da die Erscheinung nur so kurz war, dir den Gedanken daran auszureden. Aber da ich später sah, daß du mir nichts davon sagtest, so glaubte ich, du hättest sie vergessen; ich verbot Babi, mit dir davon anzufangen, und ich weiß, daß sie Wort gehalten hat. Unnütze Vorsicht, die die Liebe vereitelt hat, und die nur dazu diente, eine Erinnerung recht in dir zum Gähren zu bringen, die zu verwischen jetzt nicht mehr Zeit ist!
    Er reiste ab, seinem Versprechen getreu, und ich ließ ihn schwören, sich nicht in der Nähe aufzuhalten. Aber, Liebe, es ist noch nicht Alles. Ich muß dir noch sagen, was dir doch vielleicht nicht lange unbekannt bleiben würde. Milord Eduard kam zwei Tage später durch; er beschleunigte seine Reise, um ihn einzuholen, erreichte ihn in Dijon und fand ihn krank. Der Arme hatte sich die Pocken geholt: er hatte es mir verhohlen, daß er sie nicht gehabt, und ich hatte ihn ohne weitere Vorsicht zu dir geführt. Als ich an die Art dachte, wie er deine Hand geküßt hatte, konnte ich nicht zweifeln, daß er sich selbst angesteckt. Man konnte nicht schlechter vorbereitet sein, aber die Liebe hatte ihn geimpft, es lief glücklich ab. Sie, die Lebengebende, hat dem Zärtlichsten aller Liebenden das Leben erhalten, er ist wiederhergestellt und nach Milord Eduard's letztem Briefe müssen sie jetzt wieder auf dem Wege nach Paris sein.
    So kannst du denn,

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