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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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nicht betrinken, und daß sie beim Spiele Gewinn haben, ohne daß Jemand verliert. Dies wird so gemacht.
    Hinter dem Hause ist ein bedeckter Gang, welcher zum Spielplatze bestimmt ist. Dort versammeln sich die Livree-Bedienten und die Hofknechte im Sommer Sonntags nach der Predigt, um, in mehrere Truppe getheilt, zu spielen, nicht um Geld, das wird hier nicht gelitten, noch um Wein, den erhalten sie, sondern um einen Gewinn, den die Freigebigkeit ihrer Herrschaft aussetzt. Dieser Gewinn besteht jederzeit in irgend einer Geräthschaft oder einem Kleidungsstücke zu ihrem Gebrauche. Die Anzahl der Partien, die gewonnen werden müssen, richtet sich nach dem Werthe des ausgesetzten Gewinnes, so daß, wenn der Gewinn etwas beträchtlicher ist, z. B. ein Paar silberne Schnallen, ein Paar seidene Strümpfe, ein feiner Hut, oder Etwas der Art, gewöhnlich in mehreren Spielen darum gekämpft wird. Man bleibt alsdann nicht bei einer Art Spiel stehen, sondern wechselt ab, damit Der, welcher in dem einen am geschicktesten ist, nicht alle Preise davontrage, und damit Alle durch mannichfaltige Uebungen gewandter und tüchtiger werden. Bald handelt es sich darum, wer im Laufe am ersten ein am andern Ende der Allee aufgerichtetes Ziel erreichen, bald, wer einen Stein am weitesten werfen, bald, wer eine Last am längsten tragen, bald, wer in's Schwarze schießen werde. Meist werden die Spiele durch allerlei kleine Veranstaltungen, welche hinzukommen, verlängert und unterhaltender gemacht. Die Herrschaft beehrt sie oft mit ihrer Gegenwart; manchmal werden auch die Kinder mitgebracht; selbst Fremde finden sich ein, von der Neugier herbeigelockt, und manche würden nur gar zu gern mitspielen, aber es wird Niemand zugelassen, außer mit Erlaubniß der Herrschaft und mit Einwilligung der Spieler, die freilich nicht ihre Rechnung dabei finden würden, diese leicht zu gewähren. Unvermerkt ist aus diesem Brauche eine Art Schauspiel geworden, bei welchem die handelnden Personen, durch die Blicke der Zuschauer angefeuert, den Ruhm des Beifalls dem Vortheile des Gewinnes vorziehen. Indem sie kräftiger und gewandter werden, schätzen sie sich selbst höher, und indem sie sich gewöhnen, ihren Werth mehr nach dem zu messen, was sie vermögen, als nach dem, was sie besitzen, wird ihnen, trotz dem daß sie nur Bediente sind, die Ehre lieber als Geld.
    Es würde mich zu weit führen, Ihnen alle Vortheile aufzuzählen, die man hier aus einer, dem Anscheine nach, so kindischen Einrichtung zieht, die gemeinen Geistern sicher verächtlich dünkt, während es doch dem wahren Genie eigen ist, große Wirkungen mit kleinen Mitteln zu erreichen. Herr von Wolmar hat mir gesagt, daß ihm die ganze Sache, die seine Frau zuerst ausgedacht hat, kaum 50 Thaler jährlich koste. Aber, sagte er, wie vielfältig meinen Sie, daß sich mir diese Summe in meiner Wirthschaft und in meinen Geschäften wiedereinbringt, durch die Wachsamkeit und Pünktlichkeit anhänglicher Diener, die all ihr Vergnügen von ihrer Herrschaft haben, durch den Antheil, den sie an der Wohlfahrt eines Hauses nehmen, welches sie als das ihrige betrachten,durch den Vortheil, daß die Kraft und Gewandtheit, welche sie bei ihren Spielen erwerben, ihnen bei ihren Arbeiten zu statten kommt, durch den Vortheil, daß sie immer gesund bleiben, indem sie nicht in die gewöhnlichen Ausschweifungen von ihres Gleichen und die Krankheiten, die deren gewöhnliche Folge sind, verfallen, durch den Vortheil, daß sie zu den Diebereien und Betrügereien nicht versucht sind, welche ein unordentliches Leben unfehlbar nach sich zieht, sondern immer ehrliche Leute bleiben, endlich durch die Annehmlichkeit, mit geringen Kosten im eigenen Hause Erholungen zu haben, die uns selbst Vergnügen machen? Wenn sich unter unsern Leuten Jemand findet, Mannsperson oder Frauenzimmer, der sich in unsere Hausordnung nicht fügt, und ihr die Freiheit vorzieht, unter diesem oder jenem Vorwande hinzulaufen, wo es ihm gut dünkt, so wird ihm die Erlaubniß dazu niemals verweigert; aber wir sehen diesen Hang zur Ungebundenheit als ein sehr verdächtiges Zeichen an, und entledigen uns immer bald Derer, die ihn haben. So dienen uns dieselben Ergötzlichkeiten, die uns unsere Leute brav erhalten, zugleich zum Probemittel bei der Wahl derselben. Milord, ich muß gestehen, daß ich nirgend, außer hier, eine Herrschaft gefunden habe, die so dieselben Leute zugleich zu guten Bedienten, zu guten Bauern, zu guten Vaterlandsvertheidigern und

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