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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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giebt, die in ihren Palästen mit mehr Ehrfurcht bedient werden, als diese gute Herrschaft in ihrem Hause. Ich kann mir nichts Wirksameres denken, als ihre Befehle, und keine geschwindere Vollziehung, als denselben zu Theil wird: sie bitten, und man fliegt, sie entschuldigen, und man fühlt sein Unrecht. Ich habe nie deutlicher eingesehen, wie wenig die Kraft dessen, was man sagt, von den Worten abhängt, deren man sich bedient.
    Dies hat mich noch auf eine andere Betrachtung über die falsche Würde der Herrschaften geführt, nämlich, daß es weniger ihre Vertraulichkeit ist, als ihre Fehler, was ihnen im eigenen Hause Verachtung zuzieht, und daß man, wenn die Bedienten unverschämt sind, mehr auf eine lasterhafte, als auf eine schwache Herrschaft schließen kann; denn nichts macht die Leute so dreist, als ihre Bekanntschaft mit den Lastern ihres Herrn, und jedes, welches sie entdecken, ist in ihren Augen ein Grund, sich des Gehorsams gegen einen Menschen, vor dem sie keine Ehrfurcht haben, überhoben zu achten.
    Die Bedienten ahmen ihrer Herrschaft nach und indem sie plump nachahmen, lassen sie in ihrem Betragen die Fehler schärfer hervortreten, welche bei jenen der Firniß der Bildung mehr versteckt. In Paris schloß ich auf die Sitten der Damen, die ich kannte, aus dem Tone und Benehmen ihrer Kammerfrauen, und diese Regel hat mich niemals betrogen.
    Abgesehen davon, daß die Kammerfrau, wenn sie einmal die Geheimnisse ihrer Herrschaft weiß, ihre Verschwiegenheit dieser theuer verkauft, handelt sie so, wie die andere denkt, und macht deren Maximen offenbar, indem sie sie ungeschickt in Ausübung bringt. In jeder Hinsicht ist das Beispiel der Herrschaft mächtiger, als ihr gebietendes Ansehen, und es wäre nicht natürlich, daß ihre Dienerschaft braver sein wollte, als sie. Mag man doch, so viel man will, schreien, fluchen, mißhandeln, reines Haus machen — mit dem Allen schafft man keine gute Bedienung. Wenn der und der, welcher nichts danach fragt, ob er von seinen Leuten verachtet und gehaßt ist, sich dessenungeachtet gut bedient glaubt, so ist die Sache die, daß er mit dem, was er sieht, und mit einem Scheine von Pünktlichkeit zufrieden ist, ohne tausenderlei Schaden in Rechnung zu bringen, den man ihm immerfort heimlich zufügt, und dessen Quelle er nie entdeckt. Welcher Mensch aber wäre so ehrlos, daß er es ertragen könnte, sich von seiner ganzen Umgebung verachtet zu wissen? Welche Frau wäre so verloren, daß sie nicht noch Gefühl für Schande hätte? Wie viel Damen in Paris und London dünken sich sehr geehrt, ach, und wie würden sie in Thränen zerfließen, wenn sie hörten, was man über sie in ihrem Vorzimmer sagt! Zum Glück für ihre Ruhe dünken sie sich sicher, indem sie diese hundertäugigen Wächter für Tölpel halten und sich schmeicheln, daß dieselben nichts von dem Allen sähen, was sie sich gar nicht vor ihnen zu verstecken bemühen. Diese ihrerseits, in ihrem widerspenstigen Gehorsam, verbergen Jenen ebenso wenig, wie sehr sie sie verachten. Herrschaft und Dienerschaft fühlen beiderseits, daß es nicht der Mühe werth ist, sich einander Achtung abzunöthigen.
    Das Urtheil der Bedienten scheint mir der sicherste und empfindlichste Probstein für die Tugend ihrer Herrschaft, und ich erinnere mich, Milord, daß ich mir von der Ihrigen in Wallis eine gute Meinung bildete, ehe ich Sie noch kannte, blos deshalb, weil ich sah, daß Sie ziemlich kurz mit ihren Leuten waren, und daß diese Ihnen dennoch anhingen und in Ihrer Abwesenheit unter einander mit so vieler Achtung von Ihnen sprachen, als ob sie von Ihnen hätten gehört werden können. Man hat gesagt, daß Niemand vor seinem Kammerdiener ein großer Mann sei; möglich! aber dem gerechten Manne ist die Achtung seines Bedienten gewiß; Beweis genug, daß das Großsein nur eitler Flimmer, und daß nichts wahren inneren Werth hat, als die Tugend. Vorzüglich erkennt man die Gewalt ihrer Herrschaft hier in diesem Hause an dem Beifalle der Dienerschaft, der ein um so sichereres Merkmal ist, als er nicht in eitelen Lobsprüchen besteht, sondern in dem natürlichen Ausdrucke dessen, was die Leute wirklich fühlen. Da sie hier nie etwas erfahren, das ihnen den Glauben beibringen könnte, nicht alle Herrschaften glichen der ihrigen, so loben sie an dieser nicht als Tugend, was sie für etwas Gewöhnliches halten; aber sie loben in ihrer Einfalt Gott, daß er Reiche auf Erden eingesetzt hat zum Wohle Derer, die ihnen dienen und zum

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