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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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Wohlthäter überallhin folgen. Wenn ich schlecht und nichtswürdig wäre, was für Gewinn würde mir meine Treulosigkeit bringen? Würden Julie und ihr würdiger Gatte ihre Kinder einem Verräther anvertrauen?
    Sie haben mir oft gesagt, daß die kleinen Leidenschaften sich nicht vom Wege ablocken lassen, sondern immer gerade auf ihr Ziel losgehen, daß man aber die großen gegen sie aufbieten könne. Ich habe geglaubt, von dieser Regel hier Gebrauch machen zu können. In der That, Mitleid, Verachtung der Vorurtheile, Gewohnheit, Alles, was Eduard in diesem Falle bestimmt, entwischt vermöge seiner Kleinheit, und wird fast unangreifbar; wogegen die wahre Liebe von hochherzigem Sinne unzertrennlich ist, und man an diesem immer einen Punkt hat, bei welchem man jene fassen kann. Ich habe diesen indirecten Weg versucht, und verzweifle nicht am Erfolge. Dieses Mittel scheint grausam; ich habe nur mit Widerstreben dazu gegriffen, indessen, Alles wohlerwogen, glaube ich Laura selber einen Dienst zu erzeigen. Würde sie in dem Stande, zu welchem sie emporsteigen kann, etwas Anderes thun, als ihre alte Schande zur Schau stellen? Aber wie groß kann sie sein, wenn sie bleibt, was sie ist? Wenn ich dieses seltene Mädchen recht erkannt habe, so ist sie ganz dazu geschaffen, um an dem Opfer, das sie bringt, mehr Freude zu finden, als an dem Range, den sie deswegen ausschlagen muß.
    Wenn mir dieses Mittel fehlschlägt, so bleibt mir noch eines von Seiten des Gouvernements, in Betreff der Religion übrig; aber dieses darf nur im äußersten Nothfalle und in Ermangelung jedes andern angewendet werden; jedenfalls will ich keines unversucht lassen, um eine unwürdige und unziemliche Verbindung zu verhüten.
    Wolmar, hochgeschätzter Freund, ich bin eifersüchtig auf Ihre Achtung in allen Momenten meines Lebens. Was Ihnen Eduard auch schreibe, was Sie auch sonst hören mögen, solange mein Herz in meiner Brust schlägt, soll Laurette Pisana nie Lady Bomston werden.
    Wenn Sie meine Maßregeln billigen, so bedarf dieser Brief keiner Antwort. Wenn ich irre, so belehren Sie mich; aber schnell; denn es ist kein Augenblick zu verlieren. Ich werde die Aufschrift von fremder Hand machen lassen. Machen Sie es ebenso wenn Sie mir antworten. Wenn Sie geprüft haben, was zu thun ist, so verbrennen Sie meinen Brief, und vergessen Sie seinen Inhalt. Dies ist das erste und letzte Geheimniß, das ich in meinem Leben den beiden Cousinen zu verbergen haben werde; wenn ich mich auf meine eigene Einsicht mehr zu verlassen wagte, so würden auch Sie nichts davon erfahren haben
[Um diesen Briefs und den dritten der sechsten Abtheilung
vollkommen zu verstehen, müßte man Milord Eduards Abenteuer kennen, und ich zwar anfangs Willens, sie dieser Sammlung beizufügen. Als ich es mehr bedachte, konnte ich mich nicht entschließen, die einfache Geschichte der beiden Liebenden durch seine romanhafte zu entstellen. Besser, ich lasse dem Leser etwas zu errathen. R. — Man vergleiche, „Bekennt.“ Th. 7, S. 59-61. Die Genfer Herausgeber der Rousseau'schen Werke nahmen die „Abenteuer Milord Eduard's“ in ihre Ausgabe auf; man wird sie auch in dieser Uebersetzung dem letzten Theile der,,Julie“ angehängt finden.]
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Dreizehnter Brief.
Frau von Wolmar an Frau von Orbe.
    Die italienische Post schien mit ihrer Ankunft nur zu warten, bis du abgereist wärest, recht wie zu deiner Strafe dafür, daß du nur ihretwegen die Abreise aufgeschoben hattest. Nicht ich habe diese schöne Entdeckung gemacht, sondern mein Mann, indem er bemerkte, daß du, nachdem du um acht Uhr anspannen lassen, bis eilf Uhr gezögert hast, nicht aus Liebe zu uns, sondern wohl zwanzig Mal fragend, ob es schon zehn wäre, weil dies die gewöhnliche Stunde ist, um welche die Post ankommt.
    Du bist gefangen, arme Cousine; du kannst es nicht mehr leugnen. Trotz der Prophezeihung der Chaillot ist diese tolle, nein, vielmehr diese gescheite Clara nicht bis zuletzt gescheit geblieben: da steckst du nun also in demselben Sumpf, aus dem du dir so viel Mühe gabst mich herauszuziehen, und du hast dir selbst die Freiheit nicht retten können, die du mir wiederverschafft hast. Also ist die Reihe zu lachen jetzt an mir? Theure Freundin, man müßte deine Reize und deine Anmuth haben, um so wie du scherzen zu können und dem Spotte selbst einen so zärtlichen, rührenden Ton zu geben, als ob es geliebkost wäre. Und dann, welcher Unterschied zwischen uns! Mit welcher Stirn könnte ich mich über eine

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