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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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Augenblick genießen werde, ehe ich Sie nicht neben ihr wieder sehe. Gestehen Sie nur, daß Sie nach so vielem Philosophiegerede sich zuletzt sehr zur Unzeit als Philosoph gezeigt haben. Ach, träumen Sie, und sehen Sie dann Ihre Freunde: das ist besser, als vor ihnen davon zu laufen, und ein Weiser zu sein.
    Aus dem Briefe Milords an Herrn von Wolmar scheint hervorzugehen, daß er ernstlich daran denkt, sich bei uns niederzulassen. Sobald er dort seinen Entschluß gefaßt haben, und sein Herz entschieden sein wird, kommt Beide glücklich und entschiedenen Sinnes zurück: dies ist der Wunsch der kleinen Gemeinde und vorzüglich Ihrer Freundin
    Clara von Orbe.
    N. S, Uebrigens, wenn es wahr ist, daß Sie von unserem Gespräche im Elysium nichts gehört haben, so ist das vielleicht desto besser für Sie; denn Sie wissen, daß ich Augen genug habe, die Leute zu sehen, ohne daß sie mich bemerken, und Malice genug, um den Horchern an der Wand Schande zu machen.
     
Eilfter Brief.
Herr von Wolmar an Saint-Preux.
    Ich schreibe an Milord Eduard, und lasse mich dabei so weitläufig über Sie aus, daß mir in dem Briefe an Sie nichts übrig bleibt, als Sie auf den seinigen zu verweisen. Der Ihrige würde vielleicht eine Gegengabe von Höflichkeiten meinerseits erfordern; aber Sie in meine Familie zu rufen, Sie als Bruder, als Freund zu behandeln, Die zu Ihrer Schwester zu machen, die Ihre Geliebte war, Ihnen ein väterliches Ansehen über meine Kinder einzuräumen, Ihnen meine Rechte an zuvertrauen, nachdem ich die Ihrigen usurpirte, dies sind die Complimente, deren ich Sie würdig geglaubt habe; Sie Ihrerseits werden mich genug gelobt haben, wenn Sie mein Verfahren und meine Bemühungen rechtfertigen. Ich habe Sie durch meine Achtung zu ehren gesucht; ehren Sie mich durch Ihre Tugenden. Jedes andere Lob muß zwischen uns verbannt sein.
    Weit entfernt, mich zu wundern, daß Sie ein Traum geängstigt hat, sehe ich nicht recht ein, warum Sie es sich zum Vorwurf machen. Es scheint mir, daß für einen Mann, der Systemen anhängt, eine Träumerei mehr keine große Sache ist.
    Aber was ich Ihnen gern vorwerfen möchte, ist weniger die Wirkung Ihres Traumes, als sein Inhalt, und zwar aus einem Grunde, der vielleicht sehr verschieden von dem ist, welchen Sie vermuthen. Ein Tyrann ließ einmal einen Menschen tödten, weil derselbe geträumt hatte, daß er den Tyrannen erstäche
[Nach Plutarch im Leben des Dionys. Montesquieu (Geist der Gesetze B. XII. Kap. 9) berichtet diese Geschichte so: „Ein gewisser Marsyas träumte, er schnitte dem Dionvs die Kehle ab. Dieser ließ ihn tödten, indem er sagte, daß er es nicht Nachts geträumt haben würde, wenn er nicht bei Tage daran gedacht hätte."]
. Erinnern Sie sich des Grundes, den er für diesen Mord anführte, und machen Sie die Anwendung davon. Wie? Sie entscheiden über das Loos Ihres Freundes, und Sie denken an Ihre alte Liebe? Ohne die Gespräche des vorangegangenen Abends würde ich Ihnen diesen Traum nie verzeihen. Denken Sie den Tag über an das, was Sie in Rom sollen, und Sie werden Nachts weniger von dem träumen, was in Vevay geschehen ist.
    Die Fanchon ist krank; meine Frau ist dadurch in Anspruch genommen und hat nicht Zeit, Ihnen zu schreiben. Es ist hier Jemand an ihrer Stelle, der sich mit Freuden diesem Geschäft unterzieht. Glücklicher junger Mann, Alles verschwört sich zu Ihrem Glücke! Alle Belohnungen der Tugend kommen Ihnen entgegen, um Sie zu zwingen, daß Sie sie verdienen. Was den Lohn für meine Gutthaten betrifft, so überlassen Sie die Sorge dafür keinem Anderen; von Ihnen allein erwarte ich ihn.
     
Zwölfter Brief.
Saint-Preux an Herrn von Wolmar.
    Dieser Brief bleibe unter uns Beiden; ein tiefes Stillschweigen bedecke auf immer die Verirrungen des Tugendhaftesten der Menschen. Welcher gefährliche Schritt steht mir bevor! O, mein weiser und wohltätiger Freund, warum habe ich nicht alle Ihre Rathschlage im Gedächtniß, wie Ihre Güte im Herzen! Nie war mir Klugheit so nöthig, und nie hat die Furcht, ihrer zu ermangeln, dem wenigen, was ich davon habe, so sehr geschadet. Ach! Wo ist Ihr väterlicher Rath? Wo sind Ihre Belehrungen. Ihre Einsichten? Was werde ich ohne Sie anfangen? In diesem kritischen Augenblick würde ich die ganze Hoffnung meines Lebens darum geben, wenn ich Sie acht Tage hier haben könnte.
    Ich habe mich in allen meinen Vermuthungen getäuscht; ich habe bis diesen Augenblick nichts als Fehler gemacht. Ich fürchtete nur die

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