Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
und vier Kartons Orangensaft ohne Fruchtfleisch kaufte.
Sehr gut, dass der Bronco wieder fuhr. Nach alledem war ich schon ziemlich genervt, weil ich das Zeug um das wippende Sofa herumtragen und in die Wohnung hochschleppen musste - wenn ich diese Fuhre auch noch zu Fuß hätte heimtragen müssen, hätte ich Eric in seinem Bett wahrscheinlich mit einer Schweineschulter den Schädel eingeschlagen.
Er hatte natürlich immer noch rasende Schmerzen, als ich heimkam. »Brauchst du Hilfe, Honey?«, stöhnte er, als ich mit meinen Fleischtüten die Treppen hochkeuchte.
»Och, halt den Mund und leg dich wieder hin.«
»Okay. Ich steh bald auf, ich versprech’s dir.«
»Egal.«
Auf dem Heimweg hatte mich beim Gedanken an den Rote-Bete-Kartoffelsalat ein jäher Schrecken befallen. Ich begann unter den Armen zu schwitzen und wurde noch reizbarer als sonst. Kaum hatte ich das Fleisch in den Kühlschrank geschoben, stürzte ich zu meinem Kochbuch - und es war, wie ich befürchtet hatte: Die Kartoffeln mussten »mindestens 12, besser 24 Stunden ziehen«.
Die Bayerische Creme musste »3 bis 4 Stunden oder über Nacht« kaltgestellt werden.
Mit dem Pot-au-Feu sollte man »5 Stunden vor dem Servieren anfangen«.
Es war halb elf Uhr vormittags, und ich war schon in Verzug. Das war weiter nichts Neues, aber es regte mich jedes Mal wieder auf.
Sam Pepys hat als junger Mann auch Gäste zum Essen eingeladen - er aß gern, und es machte ihm Spaß, anderen zu imponieren, er war also wie geschaffen dafür. Aber natürlich hat er nicht selbst gekocht - dafür hatte er eine Frau und ein Hausmädchen, oder er holte einfach um die Ecke eine Fleischpastete, ein Fässchen Austern oder dergleichen. Abgesehen davon gab es im England der Restauration essensmäßig nicht viel Aufregendes. Das Leben hielt ständig böse Überraschungen bereit, Pest, Blasensteinoperationen ohne Betäubung, gelegentlich ein gewaltsamer Regierungswechsel, da stand das Essen auf der Liste der menschlichen Sorgen nicht so weit oben. Sam brauchte sich keine Gedanken über kohlehydratfreie Diäten, das Herz seines Vaters oder die neuerdings veganische Ernährung seines Nachbarn zu machen. Die Hühner wurden nicht mit Antibiotika voll gestopft. Es gab keinen Rinderwahnsinn. Und er musste sich auch nicht mit der tieferen Bedeutung seiner Mahlzeiten abquälen: »Ob dem Marineminister die Garnelen mit Käse wohl schon zum Hals raushängen?« Und selbst wenn: Er hat nichts darüber geschrieben. Dabei war er ein Mann, der sogar über dicke Eier im Zusammenhang mit Küchenmädchen geschrieben hat...
Also: Wenn Sam über dicke Eier schreibt, kann ich doch wohl die eine oder andere Dinnerparty-Katastrophe schildern.
Folgendes war geschehen: Ein Reporter vom Christian Science Monitor (ausgerechnet!) rief mich an und machte den vollkommen wahnsinnigen Vorschlag, ich solle für die Lektorin von Mastering the Art of French Cooking ein Bœuf Bourguignon kochen.
Ich will es nicht leugnen - als ich meinen Blog begann, hing ich sehr wohl unwahrscheinlichen Tagträumen von Ruhm und Geld nach. Schließlich war ich jetzt da draußen, trieb mich im Internet rum, als hockte ich im engen Pulli, Kaugummiblasen platzen lassend, in Hollywoods berühmtem Schwab’s Drugstore, und lieferte aus dem Stegreif kulinarische Bonmots. Aber wie wir alle zu unserem Leidwesen mit etwa elf Jahren feststellen, gehen solche Träume nie richtig in Erfüllung. Ein ketzerischer Gedanke, die wirkliche Julia Child und ich mit meinem Gestammel könnten auf der nämlichen Bühne in Erscheinung treten. Vielleicht glauben bloggende Christen, dass Jesus ihre Online-Tagebücher liest. Ich zog nicht einmal die Möglichkeit in Betracht, Julia oder jemand von ihr Beauftragter könnte die meinen lesen, so viel Chuzpe hatte ich nicht.
Und nun kam Judith Jones zum Essen. Die Judith Jones - die Frau, die es kapiert hatte, die das Potential dieses auf Durchschlagpapier geschriebenen französischen Kochbuchs erkannt und Julia Child groß herausgebracht hatte.
Ich habe kein so sanguinisches Temperament wie Samuel Pepys oder Julia Child, für mich war eine Dinnerparty mit Judith Jones Anlass für jede Menge hysterischer Anfälle - »… so was wie die Jungfrau Maria, nur besser angezogen und mit einem Chefbüro in Midtown!«, kreischte ich meinen verwirrten Ehemann an.
Und dann war da noch die Sache mit dem Blog. Der alte Sam konnte schreiben, was er wollte, weil es nie jemand las. Ich dagegen hatte ein Publikum, mochte
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