Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
allerdings kleine, durchsichtige Pyrexschälchen, die ich einmal zu Weihnachten bekommen hatte - mise en place- Schüsseln sagt man bei feineren Herrschaften. Ich hätte schon meine richtigen Förmchen genommen, aber eins der vier in meinem Besitz befindlichen Souffléförmchen hatte Eric entführt; er bewahrte darin seine Rasierseife auf. Eric rasiert sich nämlich altmodisch mit Seife und Pinsel, weil Gentleman’s Quarterly es so will, und wenn es ums Rasieren geht, ist Eric GQ -hörig. Seit kurzem allerdings benütze ich die Rasierseife in dem Souffléförmchen für meine Beine, denn Eric ist für die Einsfuffzig-Rasierseife von Duane Reade zu nobel geworden und zu dem schicken Zeug von Kiehl aufgestiegen.
Nachdem ich also in jedes Schüsselchen diese erste Lage gegossen hatte, stellte ich sie zum Erstarren in den Kühlschrank, dann brachte ich einen kleinen Topf Wasser zum Kochen, tauchte kurz einige Zweige Estragon hinein, ließ sie abtropfen, trocknete sie ab und legte auch sie in den Kühlschrank. Als der Estragon abgekühlt und das Gelee fast erstarrt war, legte ich die Blättchen kreuzweise auf das Gelee. Dieses Gefummel mit dem feuchten Estragon machte mich dermaßen nervös, dass ich die Förmchen/ mise en place -Schüsseln erst einmal wieder in den Kühlschrank stellen und zwei Folgen Buffy anschauen musste - die, wo Xander von einem Dämon besessen ist, und die, wo Giles wieder zu einem ungeheuer sexy Teenager wird und mit Buffys Mom schläft -, um mich zu erholen.
Am Thanksgiving-Tag stand ich um sechs Uhr auf, um diese kleinen Schweinereien fertig zu basteln. Ich erwärmte die Sülze wieder und legte auf jedes Estragonkreuz in jedem gekühlten Schüsselchen ein kaltes pochiertes Ei. Die weniger ansehnliche Seite der Eier sollte nach oben zu liegen kommen, bei meinen Eiern eine eher akademische Frage. Wieder goss ich flüssiges Aspik darüber und stellte die Eier zum endgültigen Erkalten in den Kühlschrank. Mittlerweile war es acht Uhr geworden, und obwohl ich noch ein ganzes Thanksgiving-Dinner kochen musste, Gänsebraten, Kohl, Zwiebeln, grüne Bohnen und Soufflé, war mir schwindlig vor Erleichterung. Der Rest des Tages war ein Kinderspiel, ein harmloses viktorianisches Ringelreihen im Musselinkleidchen, verglichen mit den Scheißeiern in Aspik.
Es war geradezu ein Vergnügen. Zumindest verlief alles denkbar reibungslos. Na ja, nicht ganz, denn vor lauter Pepsi One und Erleichterung über mein erstes Aspik war ich um sechs Uhr abends, als Gwen kam, geradezu high. Hungrig, aber high.
Gwen ist ein umsichtiger, aber nicht unbedingt höflicher Mensch. Erst einmal besaß sie genügend Verstand, nicht mehr zu essen als den einen Probebissen, der ihr bereits unmissverständlich klar machte, dass sie in diesem Leben gewiss keine Œufs en Gelée mehr zu sich nehmen würde, und dann hatte sie noch die Güte zu sagen: »Julie, das ist nicht dein Fehler - es ist einfach das Rezept.« Die Freundlichkeit in Person, diese Gwen. Ich hätte ihr gern geglaubt, aber als ich den Kopf senkte, als würde ich zustimmend nicken, hörte ich in meinem Kopf eine vertraute Stimme trällern, wie furchtbar elegant ein Aspik sein kann, und schämte mich.
Ein Gutes hat es, wenn man ein Thanksgiving-Essen mit Œufs en Gelée beginnt: Alles, was danach kommt, schmeckt vergleichsweise verdammt gut, und als wir die fantastisch knusprige und saftige Gans bewältigt hatten, die mit Entenlebermousse gefüllten Backpflaumen, den Kohl mit Kastanien, die grünen Bohnen und die Zwiebeln in Sahnesauce, war das Aspik längst vergessen, und es kümmerte uns auch wenig, dass ich beim Kochen den absolut irrsinnigen Plan gehegt hatte, das Schokoladensoufflé zum Dessert erst nach dem Essen zuzubereiten. Typische Wahnvorstellung eines kranken Geistes. Wir verfütterten das Aspik an die Katzen, die keine Einwände erhoben, und verzogen uns auf das Sofa, um uns wie alle Jahre zum Fest True Romance anzusehen, einen Brauch, den wir eingeführt hatten, als mein Bruder bei uns in Brooklyn wohnte. Wir machten damals ein Trinkspiel daraus und jedes Mal, wenn jemand fuck sagte, genehmigten wir uns ein Schlückchen. (Das gehört inzwischen nicht mehr zum Ritus; wer den Film kennt, weiß warum.) Betäubt von Kalorien und Wein, sank Eric schon nach zwanzig Minuten in Schlaf, mitten in Gary Oldmans wüster Sterbeszene, aber Gwen und ich hielten durch bis zu James Gandolfinis gleichermaßen eindrucksvollem Tod und waren so betrunken, dass Gwen auf unserem
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