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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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Energie nie verloren, sondern wurde nur in eine andere Form verwandelt. Hier nahm ich Butter, Sahne, Fleisch und Eier und machte daraus etwas Herrliches zu essen. Hier nahm ich Zorn, Verzweiflung und Wut und formte sie wie ein Alchemist in Hoffnung und begeisterte Leidenschaft um. Hier nahm ich einen alten Laptop und ein paar Wörter, die mir morgens um sieben durch den Kopf schossen, und verwandelte sie in das, was die Leute wollten und vielleicht sogar brauchten.
    Einen Ursprung der auf mich einwirkenden Kräfte erkannte ich nicht. Die willkürliche Aufgabe, die ich mir selbst gestellt hatte, konnte es nicht sein. Ich habe mich nie im Leben einer Herausforderung gestellt. Auch Julia Child war es wohl nicht. Noch vor einem Jahr bedeutete mir Julia weniger als Dan Aykroyd, und das will einiges heißen. Jetzt schien sie zwar der Leitstern meines Lebens zu sein, doch nicht einmal sie vermochte ein ganzes Universum zu bewegen. Eine Zeit lang, bis zu dem großen Aspik-Entscheid, begnügte ich mich damit, zu arbeiten und die Bedürfnisse meiner Leser zu erfüllen. Das reichte, um mich durch die Tage zu schleusen, und ich hinterfragte meine merkwürdigen neuen Lebensumstände nicht. Seltsam, wie leicht man sich an etwas gewöhnt.
    Doch dann erging das Kein-Aspik-Urteil. Als die Bleaders mit mir am Rand des großen dunklen Aspik-Sumpfes standen, hatten sie mich laufen lassen:
    »Geh nicht ins Mooooor!«
    Es war lieb gemeint. Und dennoch befand ich mich in einer furchtbar verwirrenden Situation. Meine Leser blieben bei mir, wenn ich kein Aspik machte; die Aussicht auf endlose Blog-Einträge über gekochte Kalbsfüße und in kaltes Gelee gegossene Lebensmittel schreckte sie eher ab. Aber ich musste es tun. Unbarmherzig wurde ich vorwärts gezogen, nicht von meinem eigenen Willen (denn wer will schon Aspik machen) und nicht von den Menschen, die mich brauchten (denn ich hatte allmählich den Eindruck, dass die Leser in diesem anderen Universum mich aus vorläufig unerfindlichen Gründen tatsächlich brauchten), sondern von einer anderen unerbittlichen Schwerkraft jenseits des Horizonts und tief in der Erde. Sie machte mir Angst, aber ich konnte ihr nicht widerstehen.
    Die Œufs en Gelée , die diesen Hagel von Leserprotesten und die nachfolgende Sinnkrise heraufbeschworen hatten, servierte ich als so genannte Appetithappen vor einem Thanksgiving-Dinner, mit dem es danach Gott sei Dank nur noch aufwärts ging. Die Zubereitung nahm mehrere Tage in Anspruch - nicht so sehr, weil Œufs en Gelée so viel Zeit brauchen, sondern weil ich vor jedem einzelnen Schritt erneut meine Lenden gürten musste. Erst stellte ich das eigentliche Gelee her, dessen oben erwähnter Duft mich erfolgreich aus der Küche vertrieb und mir für mindestens 24 Stunden jegliche Lust am Kochen nahm. Dann musste ich das Zeug erkalten lassen, das Fett abschöpfen, und die Brühe klären, ein vollkommen wahnwitziger Vorgang. Man gibt geschlagenes Eiweiß in die Brühe, erhitzt es vorsichtig unter ständigem Rühren, bis es gerade kocht und das Eiweiß flockig wird, dann zieht man den Topf mit der Brühe zur Seite, so dass nur ein Teil der Brühe am Köcheln bleibt. Alle fünf Minuten verschiebt man den Topf um eine Vierteldrehung, bis der Topf alle vier Seiten der Windrose durchlaufen hat. Dann schöpft man die Brühe in ein mit Mull ausgekleidetes Salatsieb und dabei bleibt - so die Theorie - das Eiweiß im Sieb und mit ihm all das wolkige, unreine Kleinzeug.
    Das klingt, als experimentiere da unser Freund Sam, der gerade etwas Blei zur Hand und nicht mehr viel Gold in den Truhen hat, aber es funktionierte tatsächlich. Trotzdem, bei all diesem Hokuspokus hätte ich mir gewünscht, dass zumindest etwas herauskam, das nicht nach geschnetzeltem Lebendvieh schmeckte. Ich ärgerte mich so, dass ich mir bei eBay ein paar Klamotten kaufen musste, um darüber hinwegzukommen.
    Nun musste ich noch die Eier pochieren. Ich bin bei weitem noch kein Experte für verlorene Eier, und diese Eier wurden nicht mit einer Käsesauce übergossen, sie mussten sich vor Gott und der Welt sehen lassen, eingehüllt in einen kristallklaren Mantel aus Kalbsfußsülze - sie mussten schön sein. So dauerte auch das eine Weile.
    Hierauf folgt der eigentliche Aufbau der Œufs en Gelée . Dies geschieht in mehreren Schichten. Zuerst gießt man von dem Gelee, das man durch Erwärmen wieder verflüssigt hat, eine dünne Lage in vier Souffléförmchen. So ist es zumindest gedacht. Ich benützte

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