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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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vergessen, dass du ein neues Album draußen hast. Es muss ja Millionen von Leuten geben, die
     Schrottversionen von Stücken hören wollen, die sie schon vor Jahren vergessen haben.«
    Tucker lachte. John hatte von Tuckers Sachen noch nie was gehört, bevor Tucker in die Nachbarschaft zog, aber eines Nachts
     hatte er ihm betrunken gestanden, dass er Juliet nach der Trennung von seiner Frau permanent gehört hatte. Naked fand er aus so ziemlich den gleichen Gründen schlecht, wie das Mädchen aus England, er konnte es bloß nicht so eloquent zum
     Ausdruck bringen.
    Es war schon lange her, dass Tucker sich eine Band angesehen hatte, und er konnte es gar nicht glauben, wie vertraut ihm alles
     vorkam. Hätte sich mittlerweile nicht irgendwas geändert haben müssen? Musste man wirklich noch immer das gesamte Equipment
     selber reinschleppen, seine Platten und T-Shirts an einem kleinen Tischchen verticken und mit dem verrückten Typ reden, der
     keine Freunde hatte, aber diese Woche bereits auf dreien deiner Konzerte war? Aber es gab an solchen Gigs eben nicht viel
     zu ändern. Die Kneipen und die Bands, die in ihnen auftraten, konnten mit der glänzenden Apple-Welt da draußen wenig anfangen;
     bis ans Ende aller Tage würde es Scheiblettenkäse zum Mittag und verstopfte Toiletten geben.
    Tucker ging zur Theke und holte ihre Getränke, Cola für ihn und einen Jameson für Fucker, und dann setzten sie sich an einen
     Tisch an der Seite, weit genug weg von der niedrigen Bühne und den Scheinwerfern.
    »Aber dir geht’s ganz gut, oder?«, fragte Fucker.
    »Ja.«
    »Fragst du dich, ob du je wieder Sex haben wirst?«
    »Bislang noch nicht.«
    »Solltest du aber.«
    »Wenn du jemanden fürs Bett finden kannst, dann schaffe ich es auch.« Fucker traf sich mit einer geschiedenen Englischlehrerin
     von der hiesigen Highschool.
    »Aber du verfügst nicht über meinen Charme.«
    »Lisette hat wahrscheinlich eh geglaubt, du wärst ich.«
    »Weißt du was? Dieses Bild hat mir bei Frauen nie was genützt. Denk da mal drüber nach, mein Freund.«
    »Hab ich schon. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Foto eben dich zeigt, nicht mich, und dich wie einen irren Massenmörder
     aussehen lässt.«
    Die Saalbeleuchtung wurde runtergedimmt, und die Band kletterte von den Gästen weitgehend unbeachtet auf die Bühne. Die Bandmitglieder
     waren nicht mehr die Jüngsten, und Tucker fragte sich, wie oft sie wohl schon ans Aufgeben gedacht hatten, und warum sie es
     nicht getan hatten. Vielleicht weil ihnen nichts eingefallen war, was sie sonst tun könnten; vielleicht machte es ihnen aber
     sogar Spaß. Sie waren ganz okay. Ihre eigenen Songs waren nichts Besonderes, aber das wussten sie, daher spielten sie auch
     ›Hickory Wind‹, ›Highway 61‹ und ›Sweet Home Alabama‹. Sie kannten zumindest ihr Publikum. Tucker und John waren von grauen
     Pferdeschwänzen und kahlen Köpfen umgeben. Tucker schaute, ob irgendjemand hier unter vierzig war, und sein Blick fiel auf
     einen jungen Mann, der sofort wegguckte, als ihre Blicke sich begegneten.
    »Oh-oh«, machte Tucker.
    »Was ist los?«
    »Der junge Typ da drüben, neben der Klotür. Ich glaube, der hat dich erkannt.«
    »Cool. Das passiert mir nicht mehr oft. Sollen wir uns einen Spaß erlauben?«
    »Was verstehst du darunter?«
    »Ich lass mir was einfallen.«
    Aber dann wurde es zu laut, um sich noch unterhalten zu können, und Tuckers Laune verdüsterte sich. Er hatte das Aufkommen
     dieser Stimmung befürchtet. Das war der eigentliche Grund, warum er nicht hatte herkommen wollen. Er hatte viel Zeit mit Nichtstun
     verbracht, aber der Trick war, bei ihm jedenfalls, dabei nicht nachzudenken. Wenn man aber auf Konzerte ging, konnte man praktisch
     nichts anderes tun, als nachzudenken, es sei denn, man wurde von emotionaler und intellektueller Begeisterung mitgerissen,
     und Tucker wusste, dass es die Chris Jones Band trotz all ihrer schweißtreibenden Anstrengungen niemals schaffen würde, dass
     die Menschen vergaßen, wer sie waren und was sie dazu gemacht hatte. Mittelmäßige, laute Musik kapselt dich ab, schließt dich
     in dir selbst ein, lässt dich durch die Flure und Zimmer deines Verstandes wandeln, bis du davon überzeugt bist, dich möglicherweise
     darin verlieren zu können. In den fünfundsiebzig Minuten, die er mit sich selbst beschäftigt war, besuchte er so ziemlich
     jeden einzelnen Ort wieder, von dem er gehofft hatte, ihn nie wiedersehen zu müssen. Er

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