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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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Rose & Crown allerdings hatte
     eine Jukebox, die Vince Hills Version von »Edelweiß« im Angebot hatte, ein Angebot, das nach Annies Erfahrung selten wahrgenommen
     wurde. Es fiel einem schwer, sich vorzustellen, dass hier viele Sexpläne ausgeheckt wurden. Und wenn, dann sicher nur Safer-Sex-Pläne,
     die mit größter Behutsamkeit abgefasst waren und mehrere unglaublich vorsichtige Seiten umfassten.
    Ros holte zwei Halbe Bitter, mit denen sie sich nach hinten in den Pub setzten, weg von einer Gruppe duftig aussehender Frauen,
     die wirkten, als versuchten sie dahinterzukommen, warum die Tageseinnahme im Body Shop so ungewöhnlich niedrig gewesen war.
     Anniemerkte, dass sie nervös oder aufgeregt war oder beides. Nicht weil sie im Ernst daran glaubte, dass es wirklich einen Plan
     gab, sondern weil jemand ein gewisses Interesse daran zeigte, wie sie den Rest ihres Lebens verbringen würde – es war lange
     her, dass sie irgendjemandem irgendetwas über sich verraten hatte. Sie war nun jemandes Projekt. Sie war schon eine ganze
     Weile nicht mal ihr eigenes Projekt gewesen.
    »Es gibt da einen Lesezirkel«, sagte Ros.
    »In Gooleness?«
    »Nicht in Gooleness, nicht so richtig. In einem Dorf ganz in der Nähe. Du könntest mein Auto haben.«
    »Und da sind Singlemänner bei?«
    »Na ja, eigentlich nicht. Nicht im Moment jedenfalls. Aber eine Freundin, die da mitmacht, meint, falls es alleinstehende
     Kunststudenten in der Gegend gibt, landen sie früher oder später dort. Offenbar ist vor ein paar Jahren mal einer aufgetaucht.
     Egal. War nur so eine Idee. Und mein anderer Vorschlag ist, ein Wochenende zu verreisen. Nach Barcelona vielleicht. Oder Reykjavik,
     falls es Island noch gibt.«
    »Verstehe. Das heißt also, der beste Weg, um in Gooleness Sex zu haben, ist, sich entweder einer Lesegruppe anzuschließen,
     die im Grunde gar nicht in dieser Stadt stattfindet und in der keine Männer sind, oder ins Ausland zu gehen.«
    »Das sind ja nur erste Ideen. Da werden schon noch andere kommen. Und wir haben noch nicht über Internet-Dating gesprochen.
     Ah, guck mal da, wie auf Kommando.«
    Zwei Männer Anfang vierzig hatten den Pub betreten. Während der eine an der Theke zwei Lager holte, studierte der andere die
     Jukebox. Annie musterte ihn und versuchte sich vorzustellen, sich für ihn oder mitihm auszuziehen. Würde er sie überhaupt wollen? Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, wie attraktiv sie war; sie hatte
     das Gefühl, sich schon seit Jahren nicht mehr im Spiegel betrachtet zu haben. Sie wollte gerade Ros fragen (eine lesbische
     Freundin zu haben war in der Hinsicht doch sicher ideal, oder funktionierte das nicht so?), da rief der Mann nach seinem Freund.
    »Gav! Gav!«
    Das Stück, das er sich ausgesucht hatte, setzte ein, eine muntere, schnelle, scheppernde Soul-Nummer, die nach Tamla Motown
     klang, es aber nicht war.
    »Ist ja geil!«, sagte Gav. »Los Barnesy. Mach dich schon mal warm.«
    »Zu dicker Teppich«, meinte Barnesy, der klein, schlank und durchtrainiert war, Baggy Trousers und ein Fred-Perry-Hemd trug.
     Wäre er sechzehn und sie seine Lehrerin gewesen, hätte Annie ihn für den Typ Jungen gehalten, der Streit mit dem Stärksten
     in der Klasse anfängt, nur um zu beweisen, dass er keine Angst vor ihm hat.
    Trotz des Teppichs stellte er seine Sporttasche ab. Barnesy würde sich offensichtlich nicht lange bitte lassen, von einer
     Klippe zu springen, selbst wenn er nicht wusste, was ihn unten erwartete.
    »Keine Ausreden«, sagte Gav. »Diese Ladys wollen sehen, was du drauf hast.«
    »Na ja«, sagte Ros. »Aber bitte nicht alles auf einmal.«
    Solche Sprüche müssten ihr auch einfallen, wenn sie jemals wieder Männer in Pubs aufreißen wollte, dachte Annie. Es war das
     Tempo, das sie beängstigte. Es war ja nicht so, dass »bitte nicht alles auf einmal« ein köstliches Bonmot à la Wilde war,
     aber es erfüllte seinen Zweck, und beide Männer lachten.
    Annie war währenddessen immer noch dabei, ihrem Mund ein höfliches Lächeln abzuringen. Wahrscheinlich würde sie dafür noch
     weitere fünf Minuten brauchen, und vierundzwanzig Stunden für die dazu passende lockere Bemerkung. Gav und Barnesy würden
     bis dahin vermutlich schon wieder weg sein.
    Wie sich herausstellte, war das, was Barnesy zu bieten hatte, ein außergewöhnlich akrobatisch anmutender Tanzstil, den er
     nun für die Dauer des Songs demonstrierte. Für Annies ungeschultes Auge war Barnesy ein berauschender Mix

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