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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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wenn
     das Baby eigentlich noch gar kein richtiges Baby ist. Aber ihres war schon ein bisschen älter.«
    »Stirbt Lizzie jetzt auch?«
    »Nein, nein. Sie wird wieder gesund. Sie ist jetzt nur sehr, sehr traurig.«
    »Sogar Babys sterben? Babys, die noch gar nicht geboren sind? Das ist echt scheiße.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Außer«, sagte Jackson schon fröhlicher, »außer dass du jetzt kein Opa wirst.«
    »Nein … jetzt noch nicht, stimmt.«
    »Ewig lange nicht. Und wenn du nicht Opa wirst, heißt das, dass du vielleicht doch noch nicht stirbst.« Damit sprang Jackson
     auf und rannte johlend herum.
    »JACKSON! HÖR AUF MIT DIESEM SCHEISS!«
    Tucker brüllte Jackson selten an, aber wenn er es tat, war die Wirkung dramatisch. Jackson erstarrte zur Salzsäule, schlug
     die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
    »Das hat meinen Ohren wehgetan. Ganz schlimm. Ich wünschte, du wärst tot und nicht das arme kleine Baby.«
    »Das meinst du gar nicht so.«
    »Diesmal doch.«
    Tucker wusste, warum er so wütend reagiert hatte: Sein eigenes schlechtes Gewissen war schuld. Die Vertagung seiner Großvaterschaft
     war zwar nicht sein erster, aber immerhin bereits sein zweiter Gedanke gewesen, als Lizzies Mutter ihm telefonisch die Nachricht
     überbracht hatte, und den respektvollen Abstand zwischen beiden hatte er leider auch nicht eingehalten. Ihm war eine Galgenfrist
     gewährt worden. Irgendwer da oben hatte ihm seine – na ja, Jugend konnte man nicht direkt sagen, ehrlich gesagt waren es nicht
     mal seine besten Jahre, aber doch seinen vor-großväterlichen Status verlängert. Es war nicht das, was er sich gewünscht hatte.
     Er hatte sich gewünscht, dass Lizzie glücklich war und ein gesundes Kind bekam. Aber na ja … Licht und Schatten und so weiter.
    Mittlerweile hörte sich Jacksons Schluchzen anders an, nicht mehr wütend und verbittert, sondern kläglich und reuevoll.
    »Es tut mir wirklich wirklich leid, Dad. Ich hab es nicht so gemeint. Ich bin froh, dass das Baby gestorben ist und nicht
     du.«
    Irgendwie hauten Kinder immer ein bisschen daneben.
    »Dann müssen wir jetzt wohl nach London und nach Lizzie sehen, oder?«
    »Oh, nein. Ich glaub nicht. Das wäre nicht in ihrem Sinne.«
    Von sich aus wäre er da nie drauf gekommen. War das schlimm von ihm? Wahrscheinlich. ›Wahrscheinlich‹ war seiner Erfahrung
     nach immer die korrekte Antwort auf diese Frage. Sie hatte ja Natalie, und Lizzie hatte ein gutes Verhältnis zu ihrem Stiefvater
     … Es gab keinen Grund für ihn, neben ihrem Bett zu sitzen und dann nicht zu wissen, was er sagen sollte.
    »Sie möchte dich bestimmt sehen, Dad. Ich würde dich sehen wollen, wenn ich krank wäre.«
    »Ja, aber … Du und ich, das ist was anderes. Lizzie kenn ich gar nicht richtig.«
    »Abwarten«, sagte Jackson.
     
    Cat kam vorbei, um mit Jackson Pizza essen zu gehen. Sie lud Tucker ein mitzukommen, doch er lehnte ab – der Junge brauchte
     ein bisschen ungestörte Zeit mit seiner Mutter, und außerdem war Tucker noch nicht bereit, einen auf glückliche, moderne Patchworkfamilie
     zu machen. Er war noch so altmodisch (und einfach gestrickt), davon auszugehen, dass, wenn sich Mann und Frau eine Pizza teilen
     konnten, sie auch das Bett teilen konnten. Was ihn allerdings etwas stutzig machte, als er sie dann sah, war dass er durchaus
     in der Lage gewesen wäre, im Restaurant zu essen und zu reden: Diese Wunde war verdammt schnell verheilt. Vor einer Weile
     hätteer darin vielleicht noch ein Indiz für seine zunehmende psychische Stabilität gesehen, doch seiner Erfahrung nach hatte nichts,
     das mit dem Älterwerden einherging, etwas Gutes zu bedeuten. Wahrscheinlich war es also nur ein trauriger Beweis dafür, dass
     ihm mittlerweile so ziemlich alles am Arsch vorbeiging. Cat war eine attraktive Frau, aber er konnte sich ums Verrecken nicht
     mehr daran erinnern, was er an ihr mal anziehend gefunden hatte. Er konnte sich auch nicht mehr ins Gedächtnis rufen, was
     eigentlich zu ihrer Heirat geführt hatte oder zur Zeugung von Jackson oder ob das Wetter im letzten Jahr stürmisch gewesen
     war oder so was.
    »Ich nehme an, du wirst nach London fliegen müssen«, sagte Cat, als er ihr die Geschichte mit Lizzie erzählte.
    »Oh, nein«, sagte er, obwohl selbst ihm das »Oh« allmählich überflüssig und theatralisch vorkam. »Lieber nicht. Das wäre wohl
     nicht in ihrem Sinne.« Warum nicht bei der erprobten Formulierung bleiben?
    »Meinst du?«,

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