Juliet, Naked
meinte Barnesy traurig.
»Nur ein bisschen.«
»Na schön. Ich rede Stuss, was?« Er stand auf. »Ich glaub, ich geh dann lieber.«
»Ich meine das ernst mit dem Sofa.«
»Das ist sehr nett von dir. Aber um ehrlich zu sein, interessiert mich das nicht. Mein Schlachtplan war von Anfang an Sex
oder Niete.«
»Und was heißt Niete?«
»Zurück zum Allnighter. Ich hau normalerweise nie so früh ab. Das zeigt nur meine Hochachtung für dich, dass ich hier überhaupt
meine Zeit vertrödele.«
Barnesy hielt Annie die Hand hin, und sie schüttelte sie.
»War mir ein Vergnügen, Annie. Kein so großes, wie ich’s gern gehabt hätte, aber du weißt schon. Man kann nicht alles haben.«
Am nächsten Morgen wusste sie immer noch nicht mit absoluter Gewissheit, ob sie ihn nicht bloß geträumt hatte, ob sein schlanker,
muskulöser Körper, sein Talkumpuder, seine Flips und Spins nicht vielleicht besser von einem Psychoanalytiker dekodiert werden
sollten, der ihr dann erklären würde, dass sie eine seltsame Vorstellung von männlicher Sexualität hätte.
Sie beging den Fehler, ihr Abenteuer vom Vorabend am nächsten Morgen in ihrer Sitzung Malcolm erklären zu wollen. Sie hatte
womöglich noch eine Spur Restalkohol im Blut und fand, dass Malcolms Spießigkeit ihn zu einem dankbaren Opfer für ihre beschwipst-sorglose
Laune machte; mit ihm über Sexpläne zu reden würde so lustig werden, wie ihn mit einer Wasserpistole vollzuspritzen. Also
spritzte sie, und er wurde auch nass, aber dann hockte er bloß da und sah traurig aus, und sie fragte sich ernüchtert, wie
sie hatte glauben können, das würde lustig werden.
»Ein Sexplan? Sie haben sich mit einer lesbischen Freundin zusammengetan, um sich zu prostituieren?«
Wo sollte man da anfangen?
»Ihr Lesbischsein ist da nicht wirklich relevant.« Vielleicht doch anders.
»Ich wusste nicht, dass es in Gooleness eine Lesbierin gibt.« Gut, definitiv nicht so. Malcolm würde es nicht leicht finden,
Ros’ Sexualität außen vor zu lassen.
»Es gibt mindestens zwei. Aber darum geht es …«
»Wo gehen die hin?«
»Was meinen Sie mit, wo gehen die hin?«
»Ich weiß, ich bin nicht auf dem Laufenden. Aber ich habe noch nie von einem Lesben- oder Schwulenclub hier gehört.«
»Malcolm, die müssen nicht in Lesbenclubs gehen. Genauso wenig wie Sie in Hetero-Pubs gehen müssen. Homosexualität ist nicht
unbedingt gleichbedeutend mit Clubbing.«
»Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich in einem nicht-heterosexuellen Pub wohlfühlen würde.«
»Sie gehen ins Kino. Und in Restaurants, in Pubs und besuchen Leute zu Hause.«
»Ah ja«, machte Malcolm. »Bei Leuten zu Hause.« Die Implikation war klar: In Privathäusern, hinter verschlossenen Türen, mochte
wohl so ziemlich alles passieren.
»Vielleicht sollten Sie sie persönlich fragen«, schlug Annie vor. »Wenn Sie sich so sehr für die Lesben von Gooleness interessieren.«
Malcolm errötete.
»Ich bin nicht neugierig. Nur … interessiert.«
»Ich möchte ja nicht egoistisch erscheinen«, sagte Annie. »Aber könnten wir vielleicht wieder über mich reden?«
»Ich weiß nicht, worüber Sie hier mit mir reden möchten.«
»Über meine Probleme.«
»Da hab ich den Überblick verloren. Es scheinen jede Woche andere zu sein. Ihre langjährige monogame Beziehung erwähnen wir
schon gar nicht mehr. All diese Jahre bedeuten Ihnen nichts mehr. Sie sind mehr daran interessiert, Männer in Nachtclubs aufzureißen.«
»Malcolm, ich habe Ihnen das früher schon gesagt. Wenn Sie hier nur vorgefasste Urteile äußern wollen, sollte ich vielleicht
nicht mehr kommen.«
»Tja, das hört sich für mich an, als hätten Sie noch so einiges vor, das ich verurteilen könnte. Was wiederum so klingt, als
sollten Sie in jedem Fall weiter zu mir kommen.«
»Worüber würden Sie denn gern urteilen?«
»Haben Sie zum Beispiel wirklich die Absicht, mit jedem ins Bett zu steigen?«
Sie seufzte.
»Mir kommt es vor, als würden Sie mich nicht im Geringsten kennen.«
»Ich kenne diesen Teil von Ihnen nicht. Den Teil, der plötzlich vorhat, mit dem erstbesten Kerl ins Bett zu gehen, der Ihnen
über den Weg läuft.«
»Nur hab ich das gar nicht getan, oder?«
»Sie meinen letzte Nacht?«
»Ich hätte mit Barnesy schlafen können, hab’s aber nicht getan.« Sie wünschte, sie hätte sich die Mühe gemacht, seinen Vornamen
herauszufinden. Ein Vorname hätte ihr in einer Situation wie dieser
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