Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
Vom Netzwerk:
doch gesagt. Ich hab da drin eventuell noch so ein kleines Schleusen-Dings. Aber damit wirst du keine
     Scherereien haben.«
    »Na, es wird mir Scherereien machen, wenn du plötzlich die Segel streichst und abschrammst?«
    »Was meint sie mit die Segel streichst und abschrammst’?«
    »Gar nichts. Das ist so ein englischer Stuss. Wir müssen ja nicht bei dir wohnen, okay? Wenn dir dabei nicht wohl ist, schmeiß
     uns einfach an irgendeinem Hotel raus.«
    »Hast du deine ganze Familie gesehen?« Wenn sie erst mal alle ihre Fragen durch hatte, würde sie sich in eine Gastgeberin
     verwandeln – und zwar eine ordentliche, entgegenkommende und patente, bei der man sich wie zu Hause fühlte.
    »Jepp«, sagte Tucker. »Wir hatten gestern Nachmittag so eine richtig nette Teeparty. Allen geht es gut, alle haben sich vertragen,
     alles in Butter. Meine Arbeit da ist getan.«
    Annie versuchte Blickkontakt herzustellen, aber der Junge starrte mit verdächtiger Intensität aus dem Taxifenster. Sie kannte
     ihn ja nicht, aber ihr schien es, als täte er alles, um sie nicht anzusehen.
    Sie seufzte. »Na dann, okay.« Mehr konnte man nicht von ihr verlangen. Sie hatte nach seinem Gesundheitszustand gefragt, und
     sie hatte sich vergewissert, dass er seinen väterlichen Pflichten nachgekommen war. Sie konnte sich schlecht weigern, ihm
     zu glauben. Und sie wollte es auch gar nicht.
     
    Im Zug machte Jackson einen ganz zufriedenen Eindruck, hauptsächlich, weil er sich in einem Intensivkurs mit englischen Süßwaren
     vertraut machte; er durfte, wann immer er Lust hatte, in den Speisewagen gehen. Er kam mit Lutschbonbons, Keksen und Chips
     zurück, und er rollte die exotischen Bezeichnungen auf der Zunge wie italienischen Wein. Tucker schlürfte derweil sträflich
     heißen Tee aus einem Styroporbecher und betrachtete die Reihenhäuschen, die sich vor ihm erstreckten. Es war alles sehr flach
     draußen, und der Himmel war voller übellauniger dunkelgrauer Wirbel.
    »Also, was kann man in deinem Städtchen so unternehmen?«
    »Unternehmen?« Und dann lachte sie. »Sorry. Die Kombination von Gooleness und einem aktivischen Verb hat mich überrumpelt.«
    »Wir bleiben sowieso nicht lange.«
    »Nur bis deine Kinder dich aufgegeben haben und auf dem Weg ein paar Tausend Meilen zurück nach Hause sind.«
    »Autsch.«
    »Tut mir leid.« Und tat es ihr wirklich. Woher kam plötzlich diese Missbilligung? Machte seine zweifelhafte Vergangenheit
     nicht einen Teil seiner Anziehungskraft aus? Was brachte es, sich für einen Rockmusiker zu interessieren, wenn sie wollte,
     dass er sich verhielt wie ein Bibliothekar?
    »Wie geht es eigentlich Grace?«
    Jackson schoss seinem Vater einen Blick zu, und Annie fing ihn ab, um ihn zu begutachten und dann an den weiterzuleiten, für
     den er bestimmt war.
    »Gracie geht’s gut. Lebt mit irgendeinem Kerl in Paris. Macht gerade eine Ausbildung zu … zu irgendwas.«
    »Du hast sie doch gar nicht gesehen!« Halt die Klappe . Gott.
    »Habe ich wohl. Stimmt doch, Jacko, oder?«
    »Ja, hast du, Dad, ich hab dich gesehen.«
    »Du hast gesehen, wie er sie gesehen hat?«
    »Ja. Ich hab die ganze Zeit zugesehen, wie er sie angeguckt und mit ihr geredet hat.«
    »Du bist ein kleiner Flunkerer und du bist ein großer Flunkerer.«
    Keiner von beiden sagte etwas dazu. Vielleicht hatten sie keine Ahnung, was flunkern war.
    »Warum gerade sie?«
    »Welche sie?«
    »Warum Grace?«
    »Warum Grace was?«
    »Wie kommt es, dass es dir nichts ausmacht, die anderen zu treffen, sie dir aber Angst macht?«
    »Sie macht mir keine Angst. Warum sollte sie?«
    Vielleicht sollte Duncan hier im Zug sitzen und sich das anhören. Ihr war klar, dass Duncan sein rechtes Auge und diverse
     innere Organe dafür geben würde, hier zu sitzen und sich das anzuhören; sie meinte damit, dass es ihm guttun würde, hier zu
     sein, dass seine fanatische Besessenheit von diesem Mann deutlich abnehmen, sich vielleicht sogar in Nichts auflösen würde.
     Jede Beziehung, so kam es ihr vor, verlor durch Nähe; man konnte nicht in Ehrfurcht vor jemandem erstarren, der British-Rail-Tee
     trank und dabei schamlos log, was die Beziehung zu seiner eigenen Tochter betraf. In ihrem Fall hatte es etwa drei Minuten
     gedauert, bis leidenschaftliche Bewunderung und verträumte Fantasterei von einer nervösen, nagenden, mütterlichen Missbilligung
     abgelöst worden waren. Und es kam ihr so vor, als käme das dem Zustand ziemlich nahe, deneinige ihrer

Weitere Kostenlose Bücher