Juliregen
folgen. Obwohl sie glaubte, abgehärtet zu sein, schmerzte es sie doch, dass ihr Mann eine junge Frau in einem anderen Bordell aufsuchte. Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr ewig treu bleiben würde, doch die Unverfrorenheit, mit der er sie betrog, ging zu weit. Hinzu kam der Betrug, bei dem sie nicht wusste, wie weit ihr Mann darin verwickelt war.
Mit einer energischen Bewegung stand Hede auf und blieb vor Anton stehen. »Höre mir jetzt gut zu! Gleichgültig, wer dich fragen sollte, ob Graf Trettin oder ein anderer, du hast den Namen Adele Wollenweber nie gehört, verstanden?«
»Aber …«, setzte Anton an.
»Kein Aber! Ich weiß, was ich tue!«
Anton kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Das wird Graf Trettin nicht gefallen. Dabei dachte ich, er wäre Ihr Freund.«
»Das ist er auch, und ich will ihm gewiss nicht schaden. Doch bevor ich ihm etwas mitteilen kann, muss ich mir erst über ein paar Dinge Klarheit verschaffen.«
Anton begann zu verstehen und machte eine verächtliche Handbewegung. »Sie glauben, Herr Laabs könnte bei dieser Sache seine Finger im Spiel haben?«
»Ich glaube an nichts, außer an Gott, unseren Herrn Jesus Christus und den Heiligen Geist«, wies Hede ihn zurecht und zeigte auf die Tür. »Ich habe die Glocke läuten hören!«
»Ich sehe nach!« Anton war erleichtert, ihr Büro verlassen zu können. Auf dem Weg zur Tür gönnte er Laabs keinen Blick. Als er öffnete, stand draußen ein Mann, dem er den mittleren Beamten auf dreißig Schritt ansah.
»Guten Tag. Ich habe heute im Magistrat die Akte über dieses Bordell überprüft und einige Unregelmäßigkeiten entdeckt, die geklärt werden müssen«, erklärte er streng.
Anton sah ihn von oben herab an. »Dann schreiben Sie einen Brief an Madame Laabs, geborene Pfefferkorn, und sie wird sich darum kümmern.«
»Eigentlich wollte ich die Angelegenheit gleich hier klären. Es ist keine große Sache, aber …«
Nun erst begriff Anton, worum es dem Mann ging. Mit Hedes Steuererklärung war mit Sicherheit alles in Ordnung, doch der Kerl war auf einen kostenlosen Bordellbesuch aus und gab daher angebliche Unregelmäßigkeiten vor. Am liebsten hätte Anton ihn gepackt und auf die Straße geworfen. Da aber Schreibtischhengste seiner Art in den Behörden genug Macht besaßen, dem
Le Plaisir
zu schaden, ließ er ihn ein und empfahl ihm mit falscher Freundlichkeit, einen Augenblick zu warten, bis er Madame informiert habe.
Der Beamte folgte ihm in den Empfangssalon und stierte dort die zwei Mädchen an, die mittlerweile ihre Freier verabschiedet hatten.
Unterdessen kam auch Hede herbei, die Anton in aller Kürze eingeweiht hatte. All die Jahre war sie solch anmaßenden Beamten mit Souveränität begegnet, doch jetzt spürte sie, dass ihre Nervenkraft dafür nicht mehr ausreichte. Ohne mit dem Mann zu diskutieren, gab sie einem der beiden Mädchen einen Wink. »Alexandrine wird sich um Sie kümmern, mein Herr.«
»Ich danke Ihnen und werde Ihre Akte mit Nachsicht behandeln«, versprach der Beamte und folgte dem Mädchen in dessen Séparée.
Kaum waren die beiden verschwunden, stieß Hede einen französischen Fluch aus. »Diese Kerle glauben wirklich, sich alles erlauben zu können!«
»Das ist nun einmal der Preis, den wir zahlen müssen, um von diesem Gesindel in Ruhe gelassen zu werden, meine Liebe«, meldete sich Laabs, der das anmaßende Verhalten des Beamten für selbstverständlich zu nehmen schien.
Hede wusste selbst, dass nicht der Mann von der Behörde ihr Problem war, sondern ihr Gatte, dem sie zu früh und zu blauäugig das Jawort gegeben hatte.
»Anton, achte du auf alles, was hier geschieht, und greife ein, wenn es nötig sein sollte. Wir beide«, sagte Hede zu Laabs, »gehen jetzt nach oben. Es gibt einiges zu besprechen.«
»Aber meine Liebe, ich bin mit meiner Patience noch nicht fertig!«
Mit einem Schritt war Hede bei ihm und wischte die Karten vom Tisch. »Ich sagte, es gibt etwas zu besprechen. Also komm mit!«
Diesen Ton hatte Laabs noch nie von seiner Frau gehört. Mit einem missmutigen Stöhnen stand er auf und folgte ihr in den hinteren Teil des Gebäudes. Dort schloss Hede die Tür auf, die ins Treppenhaus führte, und stieg nach oben. Während die Räume des Bordells im Hochparterre lagen, wohnten die Mädchen im ersten Stockwerk. Auch gab es hier einige Räume, in denen Kunden sehr diskret empfangen werden konnten, aber diese wurden nur selten genutzt. Ein Stockwerk weiter oben
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