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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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winkte lachend ab. »Warum sollte ich Konventionen beachten, die nicht nur sinnlos, sondern sogar gefährlich sind? Im Herrensitz zu reiten erachte ich für weitaus sicherer, als auf einer Seite des Pferdes zu hängen. Mir ist mein rechtes Bein eingeschlafen! Hätte Frühlingsmaid auf den letzten Kilometern gescheut, wäre ich aus dem Sattel gestürzt.«
    Lore nahm sich vor, darauf zu dringen, dass ihre Freundin zumindest bei Besuchen so auf dem Pferd saß, wie es sich für eine Dame geziemte. Sie hatte allerdings keine Zeit, lange darüber nachzudenken, denn die Tür wurde geöffnet, und Fridolin sah sie entgeistert an. »Lore, du?«
    »Da staunst du, was?«, antwortete Nathalia anstelle ihrer Freundin. »Aber Graf Nehlen ist ein alter Bekannter von mir, und da habe ich mir gedacht, wir besuchen ihn heute.«
    In dem Moment trat der Gutsherr aus dem Haus. Zuerst wirkte er etwas verwundert, dann aber begrüßte er die neuen Gäste erfreut. »Na, wenn das nicht die kleine Komtess ist, die mir dieses Prachtmädel von Pferd weggeschnappt hat. Willkommen auf Nehlen! Es ist nett von Ihnen, dass Sie einen alten Hagestolz wie mich besuchen kommen. Bei so schönen Damen fühle ich mich direkt wieder jung!«
    Er reichte Nathalia den Arm und blickte wohlgefällig auf die um einiges kleinere, agile junge Frau herab.
    Unterdessen war Fridolin zum Wagen getreten, um Lore herabzuhelfen. Doch sie reichte ihm Wolfi und stieg allein hinab. Fräulein Agathe folgte ihr mit Doro auf dem Arm.
    »Das ist ja ein richtiger Familienausflug«, sagte Fridolin lachend und stellte seinen Sohn auf den Boden. »Du bist alt genug, um auf eigenen Beinen zu stehen.«
    »Aber Doro wird getragen!«, antwortete der Kleine missmutig.
    »Die ist auch kleiner als du. Außerdem ist sie ein Mädchen.«
    »Trägst du Mama auch?«, fragte der Junge.
    »Gelegentlich tue ich das.« Fridolin zwinkerte Lore zu, nahm seinen Sohn bei der Hand und half ihm die Freitreppe hinauf.
    Kurz darauf saßen alle in dem Raum, in dem Nehlen am Vortag Fridolin empfangen hatte. Diesmal aber befahl er einem Diener, die Petroleumlampen anzuzünden, damit es für die Damen hell genug war.
    »So etwas Neumodisches wie elektrischen Strom haben wir hier nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich den will. Was kann man denn schon damit tun? Zum Leuchten reichen Petroleumlampen und für festliche Anlässe Kerzen. Dafür braucht es keine Masten und kein Elektrizitätswerk.«
    Obwohl Fridolin bei festlichen Anlässen ebenfalls Kerzenlicht bevorzugte, sah er sich genötigt, die Elektrizität zu verteidigen.
    »Man sollte sich nicht gegen die modernen Zeiten stemmen, Nehlen. Ich bin sicher, dass die Elektrizität noch eine sehr große Rolle spielen wird. In Berlin treibt sie auf einigen Linien bereits die Straßenbahn an, und als Straßenbeleuchtung ist elektrisches Licht auch heller als die alten Gaslaternen. Vor allem aber kann Elektrizität nicht aus ihren Leitungen entweichen und durch einen Funken entzündet werden, wie dies bei Gas der Fall ist. Zudem werden auch schon Maschinen statt mit Dampf mit Elektrizität angetrieben, und es ist möglich, dass ich eine solche Einrichtung für die Konservenherstellung benötige.«
    »Für Berlin oder eine Fabrik lasse ich das gelten. Aber hier auf unseren Gütern reicht das, was wir haben! Nun aber sollten wir uns um die Damen kümmern! Ihnen hat die Fahrt gewiss Appetit gemacht. Zuvor werden wir eine Kleinigkeit trinken. Schließlich kommen selten so hübsche Frauen zu mir zu Besuch.«
    Der Graf lachte erneut und schenkte zwei Cognacs für sich und Fridolin sowie Gläser leichten Likörs für Lore und Nathalia ein. Sein Blick streifte Agathe, und er nahm ein weiteres Glas aus dem Schrank.
    »Das Frauenzimmer hier kann auch mittrinken. Soll nicht heißen, der alte Nehlen lässt jemand dürsten.«
    »Wolfi will auch trinken!« Der Junge griff nach dem Glas, das der Graf für sein Kindermädchen vorgesehen hatte, doch Nehlen war schneller.
    »Aber Junge, du wirst doch nicht das Zeug trinken, das für die Frauen gedacht ist. Ein echter Mann braucht etwas anderes.«
    »Ja, braucht er!«, sagte Wolfi und nickte heftig.
    Nehlen zerzauste ihm lächelnd den hellen Schopf und füllte ihm dann aus einer unbeschrifteten Flasche eine dunkle Flüssigkeit in ein Schnapsglas. Da auch Doro sehr deutlich machte, dass sie etwas haben wollte, erhielt sie ein Gläschen aus einer anderen Flasche, deren Inhalt hellrot leuchtete.
    »Lasst es euch schmecken!«, sagte der alte

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