Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
gedauert mit dem Abschrauben.«
    »Kein Problem«, meinte Lukas. »Uns war nicht langweilig.«
    »Ich muss noch mal auf die Toilette«, sagte Sim. »Bin gleich wieder da.« Sie lief davon und in ihrem Kopf tobten die Gedanken. Was war mit Jimi passiert? Sein Gesicht sah furchtbar aus. Und Lukas sollte nichts davon wissen. Schon wieder hatte Jimi Geheimnisse vor seinem besten Freund. Irgendetwas stimmte da nicht. Ganz und gar nicht.
    Jimi rauchte, als sie zurückkam, Lukas saß bereits im Wagen. Er stieg noch mal aus, damit Sim ihren Platz in der Mitte einnehmen konnte. Schweigend fuhr Jimi vom Parkplatz und bog auf die Asphaltstraße in Richtung Hot Springs. Im Ort holte Sim zuerst die Dinge, die ihre Tante aus dem Naturkostladen haben wollte, danach fuhren sie zum Supermarkt. Sim arbeitete ihre Liste ab und Jimi und Lukas kauften für den alten Henry und ein paar Dinge für sich selber ein.
    Auf der Rückfahrt redeten sie kaum. Lukas war eingeschlafen. Sim sah Jimi immer wieder von der Seite an, aber er erwiderte ihren Blick nicht.
    Kurz vor Pine Ridge bogen sie auf die Abkürzung, die sie direkt nach Manderson führte. Jimi fuhr zu Henrys altem Trailerhaus, das am Fuße einer weißen Kalkwand stand. Sie luden die Einkaufstüten, die für den alten Mann bestimmt waren, aus dem Truck. Sim blickte sich um, sah das Weidengerüst einer Schwitzhütte und den Stangenkreis eines Tipis. Schließlich entdeckte sie den Indianer am Waldrand. He Dog winkte und sie winkte zurück.
    »Er hat uns gesehen und kommt«, sagte sie zu Lukas.
    Er setzte sich auf die Stufen neben den Tüten. »Ich bleibe hier, bei Henry, okay?«
    »Alles klar, Amigo.« Jimi schien darüber erleichtert zu sein. »Schläfst du auch hier?«
    »Ja, wahrscheinlich. Mach’s gut, Sim.«
    »Bye«, sagte sie.
    Jimi und Sim stiegen wieder in den Truck. Sie bemerkte, wie schief Jimi sich bewegte. Offensichtlich hatte nicht nur sein Gesicht etwas abbekommen. Er startete den Motor und fuhr den Holperweg auf die Straße zurück. Schließlich hielt es Sim nicht länger aus.
    »Nun erzähl schon, was mit dir passiert ist!« Jimi antwortete nicht gleich und Sim fuhr ihn an: »Bist du taub? Oder bin ich es?«
    »Ich bin verprügelt worden, das ist alles«, sagte er endlich. »Halb so wild.«
    »Von diesem Charlie?« Sim verstand überhaupt nichts mehr.
    Jimi lachte kopfschüttelnd und gleich darauf verzog er das Gesicht vor Schmerz. »Nicht von Charlie, du Dummerchen. Auf dem Schrottplatz, von ein paar Typen, die was gegen braune Haut und lange Haare hatten.«
    Sim schluckte. Das war furchtbar. Sie hätte nicht gedacht, dass so etwas tatsächlich noch passierte, hundertzwanzig Jahre nach Wounded Knee.
    »Und wieso soll Lukas nichts davon wissen?«
    »Weil ihn so was fertigmacht.«
    »Du hättest nicht alleine fahren dürfen«, sagte sie zerknirscht. »Wenn Luke und ich dabei gewesen wären, hätten die sich das bestimmt nicht getraut.«
    »Das glaubst aber auch nur du.«
    Jimi lenkte den Truck auf die Zufahrt zum Jumping-Eagle-Gelände und hielt vor dem alten Trailer. »Bleib sitzen, okay? Bin gleich wieder da.«
    Er holte ein paar Einkaufstüten von der Ladefläche und brachte sie ins Haus.
    Debbie kam aus dem Trailer, ihr Baby auf der Hüfte, das sich wie ein Äffchen an sie klammerte. Seine flaumigen Haare standen in alle Richtungen vom Kopf ab. Sie lächelte und winkte Sim zu. Dass Jimi eine blutige Lippe hatte und seine linke Gesichtshälfte sich blau verfärbte, schien sie nicht weiter zu beunruhigen. Vielleicht gehörte es zum Reservatsalltag, hin und wieder eins auf die Nase zu bekommen.
    Von ihrer Tante wusste Sim, dass den Lakota die Privatsphäre heilig war. Persönliche Fragen wurden nicht gestellt. Von rassistischen Weißen verprügelt zu werden, musste eine schreckliche Demütigung für Jimi gewesen sein.
    »Du musst zur Polizei gehen und die Typen anzeigen«, sagte Sim, als er in frischem T-Shirt und sauberen Jeans wieder in den Truck stieg.
    Jimi stieß ein spöttisches Lachen aus. »Wie naiv bist du eigentlich, Sim?«
    Gekränkt blickte sie aus dem Seitenfenster.
    »Schon gut«, sagte er. »Ich hab’s nicht so gemeint. Aber so läuft das hier nun mal, das ist unser Alltag. Für ein Mädchen wie dich ist das schwer zu begreifen. In ein paar Tagen ist deine Zeit im Res abgelaufen. Du kannst in den Flieger steigen und von hier verschwinden. Ich kann das nicht, verstehst du?«
    »Wieso eigentlich nicht?«, fragte sie.
    »Wieso eigentlich nicht?« Jimi warf

Weitere Kostenlose Bücher