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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Pine Ridge, die im Herbst im Spiegel erscheinen sollte.
    Ihr Vater hatte den Spiegelseit Jahren abonniert und Sim freute sich schon diebisch darauf, wenn sie in zwei, drei Monaten auf Michaels Artikel tippen und zu ihrem Vater »Übrigens: Der Typ, der das geschrieben hat, vögelt deine Schwester« sagen konnte.
    Doch im Augenblick war ihr Zuhause Lichtjahre entfernt – genauso wie der Herbst.
    Sim hatte von ihrer Tante den Auftrag bekommen, Almona im Laden zur Hand zu gehen und der Indianerin um die Mittagszeit ein Sandwich zu belegen. »Nicht erst fragen, ob sie Hunger hat und etwas möchte«, hatte Jo ihr eingeschärft, »sondern einfach hinstellen.«
    Das war keine große Sache. Leicht verdientes Geld. Sim mochte die Lakota-Frau und im Laden war es angenehm kühl – im Gegensatz zum Trailer, der sich in der prallen Sonne aufheizte wie ein Backofen. Bevor die holländische Familie einzog, musste Jimi unbedingt eine Klimaanlage einbauen.
    Sim war nicht unzufrieden mit der Richtung, in der sich die Dinge entwickelten: Ihre Tante hatte einen Liebhaber und war abgelenkt. Die anstehenden Arbeiten erwiesen sich (abgesehen von der Gartenarbeit) als ein Kinderspiel und das Reservat war auch nicht so »trocken«, wie sie befürchtet hatte. Ihr Zwangsaufenthalt entpuppte sich doch noch als ziemlich easy. Auf diese Weise würde sie die Zeit mit links durchstehen.
    Der Laden hatte schon eine Weile geöffnet, aber bisher war noch keine Kundschaft aufgetaucht. Das war anscheinend öfters so: Manchmal kam zwei Stunden lang niemand und dann alle auf einmal, als hätten sie sich abgesprochen.
    Almona und Sim saßen zusammen am Holztisch neben dem Eingang und beschäftigten sich mit Arbeiten, die Jo ihnen aufgetragen hatte. Sim schnitt dünne Bänder von einem großen Lederstück, während die Indianerin Perlenstränge fädelte. Almona erzählte Sim, dass sie in der vergangenen Nacht eine Eule von ihrem Grundstück vertrieben hatte, und zwar mit dem Gewehr.
    »Eulen sind Todesboten«, erklärte sie ihr, »und niemand will sie auf seinem Land haben. Außerdem töten sie Katzenbabys. Wusstest du, dass Eulen das Greinen von Katzenbabys nachahmen können?« Mit ungläubiger Miene schüttelte Sim den Kopf, aber Almona redete schon weiter. »Sie imitieren das Greinen der Katzenbabys, um die Katzenmutter von ihnen wegzulocken, und dann holen sie sich die Kleinen. Aber ich habe die Eule ins Visier genommen und geschrien: ›Mach, dass du von meinem Land kommst, sonst drücke ich ab und mache Powwowfedern aus dir.‹«
    Sim konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie sich die dicke Almona vorstellte, wie sie mit der Flinte auf die arme Eule zielte.
    »Man muss auf Lakota mit ihnen reden, nur das verstehen sie«, sagte die Indianerin. »Die Eule hat’s kapiert und ist auf und davon.«
    Die Türglocke schellte. Almona hob den Kopf und Sim, die mit dem Rücken zur Tür saß, wandte sich um. Es war Jimi Little Wolf, der in den Laden kam. Sie war so vertieft in Almonas Geschichte gewesen, dass sie sein Auto nicht gehört hatte.
    Sim erwartete, dass die Türglocke gleich noch einmal schellen und Lukas hereinkommen würde, aber die Glocke blieb still. Jimi war offensichtlich alleine. Auf seinem hellblauen T-Shirt stand in verwaschenen schwarzen Buchstaben IN THE SPIRIT OF CRAZY HORSE.
    Er begrüßte Almona und nickte Sim zu. »Hey Sim«, sagte er und sein Blick wanderte über die Sachen, die sie trug. Ausgewaschene, über den Knien abgeschnittene Jeans, die sie von ihrer Tante bekommen hatte, dazu die hellen Segeltuchturnschuhe aus dem Sioux-Nation- Supermarkt. Aus dem weißen T-Shirt mit den stilisierten Pferden hatte sie den engen Halsausschnitt kurzerhand herausgeschnitten und würde ihn später umnähen. Jimis Blick nach zu urteilen, schien er sich zu fragen, ob sie in der Mauser war.
    Sie erwiderte sein »Hey« und konzentrierte sich schnell wieder auf das weiche Leder in ihren Händen.
    Jimi holte sich eine Cola aus dem Kühlschrank, öffnete sie und trank ein paar Schlucke. Er schlenderte am Ständer mit den T-Shirts vorbei und betrachtete die Auslagen in den Vitrinen. Schließlich kam er zum Tisch zurück und setzte sich in lässiger Haltung auf einen der beiden freien Stühle.
    »Wie stellt sie sich an?«, fragte er Almona.
    Die Indianerin lachte. »Nicht übel für eine Wasicun.«
    Wasicun war das Lakota-Wort für Weiße und laut Tante Jo bedeutete es so viel wie »Die sich immer nur das Beste nehmen«. Nicht sonderlich

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