Julischatten
wie du.«
Augenblicklich ließ Sim das Plastikteil fallen, das sie in der Hand gehalten hatte. »Dann mach doch deinen Mist alleine«, sagte sie und wandte sich der offenen Tür zu. Jimi, der halb unter der Spüle lag, wollte sie zurückhalten und stieß sich den Kopf an einer scharfen Eisenstrebe.
»Scheiße, verdammt«, fluchte er und hielt sich die Stirn. »Nun hau doch nicht gleich ab, ich hab bloß Spaß gemacht.«
Sim drehte sich in der Tür um. »Ich auch«, sagte sie, ohne zu lächeln.
Für ein paar Sekunden war Jimi wie vor den Kopf gestoßen, im wahrsten Sinne des Wortes. Dass er versuchen würde, ihr hinterherzurennen, hatte er nicht erwartet. Und noch weniger hatte er damit gerechnet, dass Sim so schlagfertig sein würde.
Zögernd kam sie zurück und kniete sich neben ihn. Er roch den herbfrischen Duft ihres Duschbades. Heaven.
»Zeig mal her«, sagte sie und nahm seine Hand von der Stirn. Sie begutachtete die verletzte Stelle eingehend, strich sanft darüber und meinte: »Bis du heiratest, ist davon nichts mehr zu sehen.«
Jimi zog seine Hand aus ihrer und stand auf. Dieses Mädchen, aus dem er nicht schlau wurde, machte sich doch tatsächlich über ihn lustig. Wer war sie denn schon? So wie sie aussah, konnte sie froh sein, dass er sich überhaupt mit ihr abgab.
Er öffnete den Kühlschrank, holte sich eine Cola heraus und setzte sich damit auf die Holztreppe vor der Eingangstür des Trailers. Sim hockte sich neben ihn und legte das Kinn auf ihre angezogenen Knie. Er holte seinen Tabak aus der Hosentasche, dreht sich eine Zigarette und zündete sie an. Nachdem er zwei Züge genommen hatte, hielt er sie Sim hin.
Überraschenderweise nahm sie sie und zog daran. Die meisten haute seine Mischung um, aber Sim hustete nicht einmal.
»Was ist da drin?« Sie nahm noch einen Zug und gab ihm die Zigarette zurück.
Jimi stieß den Rauch aus, eine aromatisch süße Wolke, die sich in den Himmel kräuselte. »Alles Mögliche«, antwortete er. »Tabak, rote Weidenrinde, Salbei, Bärentraube, ein bisschen Gras.«
Nun hustete sie doch und er lachte, denn endlich hatte er wieder die Oberhand. »Süßgras natürlich oder was hast du gedacht?«
Süßgras war eine heilige Pflanze der Lakota, die zu Zöpfen geflochten getrocknet und bei Zeremonien abgebrannt wurde. Ihre Tante verkaufte die Zöpfe für drei Dollar das Stück im Laden.
Eine Weile rauchten sie schweigend. Sim plapperte nicht drauflos, wie andere Mädchen es in dieser Situation getan hätten, und das versöhnte ihn.
»Danke«, sagte sie schließlich.
»Wofür?«
»Dass du die Friedenspfeife mit mir rauchst.« Ihre hellen Augen schienen zu lächeln und er musste schließlich auch grinsen. Sein Blick glitt von ihren Augen zur Narbe in ihrer Oberlippe, die nicht von Lippenstift verdeckt war. Sim trug auch kein Make-up.
»Was macht Lukas denn so – ohne seinen Hunka -Bruder?«, fragte sie und wandte den Kopf nach vorn, sodass er die Narbe nicht mehr sehen konnte.
»Er ist bei einem Medizinmann, sein Name ist Henry He Dog«, antwortete Jimi in einem Anfall von Offenheit, der ihn selbst überraschte.
»Und was macht er da? Ist er krank?«
Jimi schüttelte den Kopf und lachte. »Er lernt Lieder und Zeremonien, die man zum Heilen braucht… seine spirituellen Kräfte zu nutzen… Zuhören… Die Geister herbeirufen oder auf Abstand halten. Eben alles, was ein Medizinmann so können muss.«
»Lukas will Medizinmann werden?«
»Glaub schon.« Jimi erzählte Sim, dass He Dogs Tochter seit einigen Jahren in Minneapolis lebte, ihr Sohn Tim jedoch bei seinem Großvater geblieben war, um in seine Fußstapfen zu treten. »Letzes Frühjahr ist Timmy… » Er schluckte, weil ihn die Erinnerung einholte. ». . . er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen und Luke ist seitdem so eine Art Enkelersatz für den Alten. He Dog bringt ihm Peyote- und Yuwipi-Songs und solche Sachen bei. Luke will den Leuten im Res helfen, mit ihrem Leben klarzukommen.«
Jimi Little Wolf sprach schnell und Sim hatte Mühe, seinem verwaschenen Englisch zu folgen.
»Wie will er ihnen denn helfen?«, fragte sie. »Ich meine, er kann sie ja nicht mal sehen.«
»Es besteht ein Unterschied zwischen einem Arzt und einem Heiler«, erwiderte er. »Und außerdem: Luke sieht mehr, als du denkst.«
Sims Blick wurde betreten. »Was ist eigentlich passiert mit seinen Augen?«, fragte sie. »Ist er von Geburt an blind?«
Jimi schüttelte den Kopf und drückte seine Zigarette auf dem
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