Julischatten
schmeichelhaft. Ärgerlich hielt Sim den Kopf gesenkt und schnitt ein weiteres Lederband ab.
Die Türklingel ging erneut und ein Lakota mit Zöpfen, der einen Bauch wie einen Ballon vor sich herschob, kam in den Laden und fragte nach Perlen und Häkchen für Ohrringe. Almona legte ihre Arbeit nieder und verschwand hinter dem Ladentisch.
»Macht das Spaß?«, fragte Jimi und deutete auf das Leder in Sims Händen.
Sie hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. Wollte er sie auf den Arm nehmen? Er wich ihrem Blick aus, als hätte er etwas Unanständiges gefragt.
»Es gibt Schlimmeres«, sagte sie möglichst gleichmütig. »Zum Beispiel Gartenarbeit.«
»Wenn du Lust auf Abwechslung hast, ich bin im Trailer und könnte eine helfende Hand gebrauchen.«
Sim schoss die Röte ins Gesicht und Jimi grinste. »Beim Einbauen der Fenster natürlich«, fügte er hinzu. Er setzte die Getränkedose an und ließ den letzten Rest Cola in seine Kehle rinnen. Die Dose zerdrückte er in der Faust und schleuderte sie mit einem machomäßig gekonnten Wurf in den Abfalleimer. Plopp.
»Die gehören da nicht rein, Little Wolf«, pfiff Almona ihn an. Offenbar hatte sie alles im Blick, obwohl sie immer noch mit ihrem Kunden beschäftigt war. »Schon mal was von Recycling gehört? Draußen steht eine Tonne für die leeren Dosen.«
Jimi zuckte nur mit den Achseln und machte, dass er aus dem Laden kam. Anscheinend ließ er sich von einer Frau nichts sagen. Schimpfend ging Almona zum Mülleimer und fischte die Coladose wieder heraus.
»So viel zu unserem Image als Hüter der Erde«, sagte sie zu Sim und trug die Dose nach draußen in die extra dafür vorgesehene Tonne neben der Ladentür.
Kaum zu glauben, aber Recycling war immer noch ein Fremdwort im Reservat. Jo hatte Sim erzählt, dass es inzwischen jemanden gab, der Dosen und Altpapier sammelte und der Wiederverwertung zuführte. Sie hatte es sich auf die Fahnen geschrieben, den Indianern mit gutem Beispiel voranzugehen, aber bei solchen ignoranten Machos wie Jimi Little Wolf war das vermutlich vergebliche Liebesmüh.
Sim setzte die Schere an, um den nächsten Lederstreifen abzuschneiden, aber sie war zu nervös und das Band bekam dicke und dünne Stellen.
»Nun geh schon«, sagte Almona mit verschwörerischem Grinsen zu ihr, »bevor du hier einen Haufen Ausschuss produzierst.« Sim warf der Indianerin einen verunsicherten Blick zu und Almona lachte kopfschüttelnd. »Na los, er hat gesagt, er braucht dich für die Fenster. Und keine Dummheiten machen, sonst bekomme ich Ärger mit deiner Tante.« Sie drohte Sim mit dem Zeigefinger.
Sim war hundert Prozent sicher, dass Almona sich mit dem Ballonbauch unterhalten hatte, während Jimi ihr sein Angebot unterbreitete. Doch anscheinend hatte die Indianerin nicht nur alles gesehen, sondern auch alles gehört.
Sim ging auf die Toilette, und während sie ihre Hände wusch, warf sie einen prüfenden Blick in den Spiegel. Ihre Augen waren geschminkt, aber auf Make-up und Lippenstift hatte sie am Morgen verzichtet. Mit nassen Händen fuhr sie durch ihre Haare, die kreuz und quer vom Kopf abstanden. Keine Igelspitzen. Es war vollkommen sinnlos, Zeit für eine aufwendige Frisur zu verschwenden, wenn sie nach zwei Stunden nicht mehr als solche zu erkennen war.
»Viel Spaß«, rief Almona ihr nach. Draußen knallte die Sonne auf sie herab und es war schon wieder bestialisch heiß. Schützend hielt sie eine Hand über die Augen. Jimis roter Sportwagen stand vor dem Trailer und er war gerade dabei, sein Werkzeug auszuladen. Als er sie kommen sah, hielt er inne. Sim rechnete damit, dass er – jetzt, wo Almona es nicht hören konnte – eine Bemerkung über ihre Kleidung von sich geben würde, doch sie irrte sich.
»Du kannst mir helfen, das Zeug reinzutragen«, sagte er.
Und das tat sie.
Der Trailer war aufgeheizt wie ein Backofen, doch Jimi schien das gar nicht zu merken. Er gab sich wortkarg, während er in der Küche den Abfluss unter der Spüle montierte. Mehr als »Halt mal hier« und »Bring mir mal das« war nicht drin. Sim versuchte, ihren Job als Handlanger so gut wie möglich zu erledigen, und nach ein paar anfänglichen Schwierigkeiten wusste sie meistens, welches Werkzeug Jimi gerade brauchte. Von da an begann das Ganze, Spaß zu machen.
»Wo ist eigentlich Lukas?«, fragte sie irgendwann. »Ich dachte, ihr beiden klebt immer zusammen.«
»Manchmal auch nicht«, antwortete Jimi. »Als Handlanger ist Lukas ungefähr so brauchbar
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