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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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die Wände aus hellem Holzimitat und den offensichtlich neuen himmelblauen Teppichbelag schweifen. Beides gab dem Zimmer ein freundliches Aussehen.
    Mit ein paar Dollar und ein wenig gutem Willen ließ sich auf jeden Fall etwas daraus machen.
    Sie verließ den Trailer durch die Hintertür, die gleich neben dem letzten Zimmer vom Gang abging, und lief geradewegs zu ihrer Tante in den Laden. Sie fragte Jo, ob sie bereit war, ein paar Dollar zu investieren, um den Trailer als Unterkunft für Gäste aufzupeppen.
    Ihre Tante war einverstanden und so besorgte sie sich Stift und Zettel, um alles aufzuschreiben. Der Ehrgeiz hatte Sim gepackt. Zwar starrte der Trailer vor Dreck, und den zu beseitigen, gehörte zu den weniger angenehmen Aufgaben, aber der Gedanke, die Räume nach ihren eigenen Vorstellungen wohnlich herrichten zu dürfen, gefiel Sim. Sie würde das Vertrauen ihrer Tante nicht enttäuschen.
    Als es Abend wurde, stieg sie den Hügel hinter dem Trailer hinauf und füllte die Pferdetränke wieder auf. Diesmal waren die Tiere da – denn sie hatten Durst, deshalb blieb Sim auf der anderen Seite des Zaunes. Tante Jo kam dazu und versicherte ihr, dass sie ganz unbesorgt das Pferdeland betreten konnte.
    »Sie sind an Menschen gewöhnt und tun dir nichts.« Jo klopfte einem riesigen Braunen mit weißen Fesseln den Hals und sagte: »Darf ich vorstellen: Das ist Big Boy. Big Boy, das ist Simona.« Eine trächtige schwarze Stute, die auf den Namen Ebony hörte, knabberte verspielt am Hemd ihrer Tante. »Sie muss bald so weit sein«, sagte Jo und Sim vermeinte zu sehen, wie sich eine Sorgenfalte auf der Stirn ihrer Tante bildete.
    Insgesamt waren es sieben Pferde, die Jo ihr nacheinander mit Namen vorstellte. Abgesehen von der trächtigen Stute und dem großen Braunen, besaß ihre Tante noch Forrest, einen mageren Araber, zwei braune Stuten (Sweety und Angel) mit fast identischer Blesse auf der Stirn und zwei braun-weiß gescheckte Wallache, die auf Habar und Paco hörten.
    Ich werde mich nie mit diesen Tieren anfreunden, dachte Sim, als sie merkte, dass die Pferde sie mit demselben Argwohn musterten, wie sie es tat.
    Nachdem ihre Tante wieder in den Laden gegangen war, fütterte Sim die Katzenmeute und mischte Juniper ihr Hundemamaspezialfutter zusammen: Trocken- und Nassfutter und ein Schuss Milch. Sie setzte sich auf die Treppenstufen vor dem Haus und sah der Hündin beim Fressen zu. Als sie satt war, kam Juniper angetrottet und legte ihr den Kopf auf die Knie.
    »Wann haben wir denn Freundschaft geschlossen, hm?«, fragte Sim und kraulte die Hündin hinter dem Ohr.
    Vermutlich bedurfte es dazu nicht viel. Juniper mochte jeden, der sie fütterte und sie von Zecken und Kletten befreite.
    Als Sim zurück ins Haus ging, fand sie Michael beim Kochen vor. Er hatte die Musik laut aufgedreht (Jefferson Airplane), tanzte mit einer Schürze um die Hüften und einem Gewürzdöschen in jeder Hand vor dem Herd herum und sang lautstark mit. Er bemerkte Sim gar nicht, als sie sich frische Sachen aus ihrem Zimmer holte und im Bad verschwand, um zu duschen.
    Später, als ihre Tante den Laden dichtgemacht hatte und von unten heraufkam, servierte Michael Spaghetti mit Shrimps. Mit einem geheimnisvollen Lächeln verschwand er in seinem Zimmer, und als er wieder herauskam, zauberte er mit leuchtenden Augen eine Flasche Rotwein hinter dem Rücken hervor – wie ein Magier ein weißes Kaninchen aus seinem Zylinder.
    »Ta-ta! Ein 2006er-Zinfandel! Hab ihn unter Einsatz meines Lebens ins Reservat geschmuggelt.« Er grinste. Drei Weingläser standen auf dem Tisch und Sim sah, wie ihre Tante die Stirn in Falten zog.
    Die Situation war fatal. Wenn sie sich von Michael ein Glas Wein einschenken ließ (was für ein wunderbarer Gedanke!), würde ihre Tante nicht zulassen, dass sie es trank. Jo würde dem Journalisten erzählen, warum Sim hier war – was sie bisher ganz offensichtlich nicht getan hatte. Sim würde auf den Wein verzichten müssen und Michael wüsste trotzdem Bescheid.
    Also legte sie schweren Herzens eine Hand auf ihr Glas und sagte: »Für mich bitte nicht, ich kann dann nicht gut schlafen.«
    Ihre Tante atmete erleichtert aus und hielt gleichzeitig Michael ihr eigenes Glas hin. Genauso lief es doch immer: Die Erwachsenen machten einem täglich Dinge vor, die sie später, wenn der Nachahmungseffekt einsetzte, mit Worten verteufelten.
    So war Sim auch zu ihrem ersten Tequila gekommen – er hatte, neben den anderen Spirituosen, ganz

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