Julischatten
musste ein jämmerliches Bild abgeben und innerlich schwor sie Jimi Rache.
Unsicher hob sie die Schultern. Jimi drückte ihr die Zügel in die Hand und begann, Big Boy herumzuführen. Als das Pferd sich in Bewegung setzte und sie die kräftigen Muskeln unter sich spürte, drückte Sim den Rücken durch und setzte sich kerzengerade auf. Die Kinder kicherten wieder.
»Locker bleiben«, sagte Jimi.
Toller Vorschlag! Die Frage war nur, wie man locker bleiben sollte, wenn man ohne Sattel auf einem schnaubenden Monstrum saß, das nur aus Muskeln und schweren Knochen zu bestehen schien?
Lukas holte Ghost in den Korral, stieg auf und zog den Jungen vor sich auf den Pferderücken. Der Schecke tänzelte ein wenig, aber Lukas sprach ein paar beruhigende Worte und schnalzte mit der Zunge. Sie begannen ebenfalls, Runden zu drehen.
Randy strahlte über das ganze Gesicht. Für einen Augenblick war seine Welt in Ordnung. Er saß auf einem richtigen Pferd, während sie auf einem alten Gaul herumgeführt wurde, vor dem sie auch noch Angst hatte. Beinahe musste Sim lachen. Und weil sie sich nicht mehr auf das große Tier unter ihr konzentrierte, ließ sie unwillkürlich locker und passte sich Big Boys schaukelnden Bewegungen an.
Jimi ließ das Halfter los. »Jetzt du alleine.«
Big Boy blieb stehen, schlug mit dem Schweif. Sim zog an den Zügeln, drückte die Fersen in Big Boys Flanken und sagte: »Na los, alter Junge. Hü!«
Jimi grinste kopfschüttelnd. »Benutze deine Knie, okay? Lass die Zügel locker. Keine Stimme, keine Hände, nur die Knie.«
Er drückte gegen ihr rechtes Knie, schnalzte mit der Zunge und Big Boy lief los.
Tante Jo kam mit einem Topf Salbe zurück und nickte Sim anerkennend zu. »Du machst dich nicht schlecht«, sagte sie anerkennend. »Vielleicht können wir ja mal zusammen ausreiten.«
Ausreiten? Nachdem sie ein paar Runden im Kreis gegangen war? Niemals!
»Nein danke!«, sagte sie. »Mir reicht’s auch so schon.«
Als Jimi Big Boy endlich zum Stehen brachte und Sim mit schmerzendem Hintern vom Pferderücken glitt, landete sie ungewollt in seinen Armen. Ihre Brust an seiner, ihr Gesicht nur ein paar Zentimeter von seinem entfernt. Sie spürte Hitze aufsteigen und geriet in Panik, da ließ er sie mit einem undefinierbaren Grinsen los. Sie stolperte zum Gatter und hielt sich an einer Strebe fest, bis ihr Herz sich wieder beruhigt hatte.
Die Sättel wurden abgeschnallt, die Bürsten eingesammelt und aus der nebenbei laufenden Unterhaltung der Kinder bekam Sim mit, dass der nächste Tag ein Feiertag war.
»Was wird denn gefeiert?«, fragte sie in die Runde.
»Unser Sieg am Little Bighorn«, antwortete Jimi.
Sim, die sich auf den Arm genommen fühlte, warf ihrer Tante einen fragenden Blick zu. Jo zuckte mit den Achseln. »Morgen jährt sich Custers letzte Schlacht zum hundertfünfunddreißigsten Mal«, erklärte sie, »das nehmen einige im Reservat zum Anlass, um den Weißen ein bisschen Feuer unter dem Hintern zu machen.«
Auch ihre Tante wollte sie anscheinend auf den Arm nehmen und Sims fragender Blick schwenkte zu Lukas. Der grinste bloß vor sich hin.
»Glaub ihr kein Wort«, meinte Jimi schließlich. »Das Ganze ist nichts weiter als ein Spaß. Morgen Nachmittag finden Pferderennen statt, drüben, auf dem Land der Yellowhawks, nur drei, vier Meilen von hier.«
Pferderennen, dachte Sim. Da war in dieser Einöde endlich mal etwas los und es hatte natürlich mit Pferden zu tun. Ihre Hände, ihre Sachen, alles roch nach Pferd und bei jedem Schritt schmerzte ihr Hintern – nein, ihr ganzer Körper. Pferderennen interessierten sie nicht, kein bisschen.
»Am Abend spielt eine Band und es wird gefeiert. Wir könnten dich abholen und wieder zurückbringen, wenn du Lust hast.«
Sim horchte auf. Eine Band? Das klang schon vielversprechender. Und Jimi hatte eben so etwas wie eine Einladung ausgesprochen – oder etwa nicht? Sim hatte nichts dagegen, mal von hier wegzukommen, auch wenn es nur drei oder vier Meilen waren.
»Darf ich?«, wandte sie sich an Jo.
»Ich weiß nicht.« Das Gesicht ihrer Tante zeigte wenig Begeisterung. »Yellowhawks Söhne sind dafür bekannt, dass sie trinken und kiffen und sich gerne mal prügeln.«
Jimi kehrte Jo den Rücken zu, damit sie nicht sehen konnte, wie er in sich hineingrinste. Aber Sim hatte es bemerkt.
»Alkohol und Drogen sind strikt verboten auf Yellowhawks Land«, sagte Lukas mit ernster Miene.
»Ja, klar«, Jo drehte die Augen zum Himmel, »und ich
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