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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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T-Shirts umzunähen, das sie von ihrer Tante bekommen hatte.

9. Kapitel
    Schon seit über einer Stunde war Sim fertig angezogen. Duftend, geschminkt und fest entschlossen, sich zu amüsieren, wartete sie darauf, endlich abgeholt zu werden. Sie trug das schwarze Top mit den roten Totenköpfen, einen ausgefransten, schräg abgeschnittenen Jeansrock und die Segeltuchturnschuhe, die sie gestern extra gewaschen hatte. Ihre widerspenstigen Haare standen in allen Richtungen vom Kopf, doch mit dem neuen undone -Look hatte sie sich längst angefreundet. Sie wirkte damit lässiger, erwachsener. Ihre Augen hatte sie sorgfältig geschminkt und die Narbe mit Make-up und Lippenstift abgedeckt.
    Unruhig tigerte sie im Wohnraum auf und ab und warf hin und wieder einen missmutigen Blick aus dem Fenster. Das Warten schien ihr von Minute zu Minute sinnloser. Lukas und Jimi hatten sie versetzt – aber was hatte sie eigentlich erwartet? Dass die beiden ihre Verabredung ernst nahmen? Auf welchem Planeten lebst du eigentlich, Sim?
    Ihre Tante kam aus dem Laden herauf und begann, laut zu lachen, als sie ihre Nichte am Fenster stehen sah. »Sag bloß, du hast noch nichts von Indian Time gehört? Lukas und Jimi sind Lakota, bei denen läuft alles nach Indianerzeit.«
    Sim sah ihre Tante aus schmalen Augen. »Das bedeutet?«
    »Wenn die Jungs da sind, dann sind sie da.«
    »Jimi hat gesagt: Mittag. Mittag ist zwölf Uhr.«
    »Er hat gesagt: Um Mittag herum. Das heißt, jederzeit nach zwölf Uhr, aber auf keinen Fall vor zwölf.«
    Sim warf einen Blick auf die Wanduhr. »Jetzt ist es eins durch.«
    »Sie werden schon kommen.«
    Nur ein paar Minuten später hupte es draußen. Jo schaute aus dem Fenster und lächelte. »Na, wer sagt’s denn?«
    Ein letztes Mal rannte Sim ins Bad, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und prüfte das Make-up im Spiegel. Dann schnappte sie die gewebte Umhängetasche, die Jo ihr geschenkt hatte, und flitzte an ihrer Tante vorbei zur Tür hinaus.
    Jimi stand in der offenen Fahrertür seines Ford Mustang und rauchte. Er trug ein blütenweißes T-Shirt mit dem Aufdruck CUSTER DIED FOR YOUR SINS. Die kurzen Ärmel waren bis über die Schultern hochgerollt, sodass seine Tätowierungen vollständig zu sehen waren. Er musterte Sim kurz von oben bis unten, was ausreichte, um sie nervös zu machen.
    »Wo ist Lukas?«, fragte Jo von der Veranda herab.
    »Schon auf dem Rennplatz, bei den Pferden.«
    Sim winkte ihrer Tante.
    »Viel Spaß«, sagte Jo. »Und sei pünktlich. Indian Time dulde ich nicht.«
    Sim stieg ein. Als ihre nackten Schenkel mit dem Kunstledersitz in Berührung kamen, entfuhr ihr ein Fluch. Der Sitz glühte von der Sonne. Jimi lachte. Sie zog die Tür zu und sah sich um. Das Innere des Wagens glich einer Müllhalde. Alles war mit einer dünnen gelben Staubschicht bedeckt und im Fußraum vor dem Beifahrersitz kullerten leere Getränkedosen und eine Taco-Bell-Schachtel herum. Am Rückspiegel baumelte ein Dreamcatcher, der gehörte im Reservat anscheinend zur Standardausrüstung in jedem Auto.
    »Du hast gewartet?«, fragte Jimi mit hochgezogenen Augenbrauen, als er den Motor anließ. »Das tut mir leid.«
    Sim lief rot an und verfluchte ihre Tante. »Kein Problem«, versicherte sie. Die Klimaanlage funktionierte nicht und sie fing auf der Stelle an zu schwitzen.
    Am Ende der Schotterpiste ging Jimi auf die Bremse. Als er sich über Sim beugte, kam ein überraschter Laut aus ihrer Kehle und sie presste sich unwillkürlich in den Sitz. Ihr Mund wurde trocken und ihr Herz schlug so heftig, dass es den Motor übertönte. Trotz der Hitze war ihr Körper wie schockgefroren.
    »Deine Tür ist nicht richtig zu.« Mit einem kräftigen Ruck zog Jimi am Türgriff und das Schloss rastete ein. Jimi schob sich in den Fahrersitz zurück und setzte den Blinker, um auf die Asphaltstraße zu biegen.
    Sim atmete tief ein und versuchte, sich zusammenzunehmen. Ein unergründliches Lächeln umspielte Jimis Lippen. Mit Sicherheit glaubte er, dass sie scharf auf ihn war, und deshalb amüsierte er sich so prächtig. Das weiße Gör aus Deutschland, das sich einbildete, eine Einladung zum Pferderennen käme einem Date gleich. Das nur darauf wartete, von ihm angemacht zu werden, damit sie zu Hause erzählen konnte, sie hätte eine wilde Romanze mit einer Rothaut gehabt. Lange Haare, Tattoos, schwarzes Pferd, Sportwagen mit einem weißen Blitz auf der Kühlerhaube.
    Tante Jo hatte ihr erzählt, wie es lief mit den weißen Frauen und

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