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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Himmel ein Dach und wäre nicht endlos, was unvorstellbar und ein wenig beängstigend war für ihn. Noch war das Gewitter weit weg, aber er spürte den Druck auf den Ohren und wusste, wie schnell es näher kommen konnte. Also schlug er mit Ghost den direkten Weg nach Hause ein.
    Auf seiner Wange spürte Lukas die kühle Stelle von Sims Kuss und ihr blauer Duft war noch in seiner Nase. Bisher hatte er nur eine Stimme und einen Geruch gehabt, eine flüchtige Umarmung und eine Hand. Doch nach ihrem Ritt durch die Dunkelheit war aus den Puzzleteilen, die er von Sim hatte, ein Bild geworden. Noch nicht ganz vollständig, aber doch so lebendig, dass er sich der Gefühle, die es in ihm auslöste, nicht mehr erwehren konnte.
    Nur – was war mit Sim? Bedeutete der Kuss, dass sie ihn auch mochte? Oder war er nur eine Geste der Dankbarkeit gewesen? Fühlte sie dasselbe, was er fühlte? Oder würde sie sich bei der erstbesten Gelegenheit dem Champion an den Hals werfen?
    Als Lukas über den Hügel am White Horse Creek ritt, hörte er, wie sich das näher kommende Donnergrollen mit aufheulenden Motoren und quietschenden Reifen vermischte. Pfiffe und Gejohle schallten aus dem Tal. Ghost wurde nervös und er fuhr ihm beruhigend mit der Hand über den Hals.
    Lukas musste daran denken, was Henry He Dog ihm über den Tod seines Enkelsohnes Tim erzählt hatte. Er war bei einem Spiel, das sich Cookiedrehen nannte, verunglückt und gestorben. Ein anonymer Anrufer hatte die Ambulanz zum White Horse Creek geschickt, aber als sie dort ankam, hatte Tim He Dog in seinem Blut gelegen und war nicht mehr zu retten gewesen. Lukas hatte Tim nur von seinen damals noch sporadischen Besuchen bei dem alten Medizinmann gekannt, aber inzwischen war ihm der Junge durch Henrys Geschichten vertraut geworden und er empfand Trauer, wenn er an ihn dachte.
    Als er Jimi das erste Mal von Tim erzählt hatte, war sein Freund ganz still geworden und Lukas hatte sein betretenes Schweigen als tiefe Betroffenheit gewertet. Doch ein paar Wochen später hatte er zufällig mitbekommen, wie Jimi und Chance sich zum Cookiedrehen verabredeten, und ihm war aufgegangen, dass Jimi über diese illegalen Mutproben, die in unregelmäßigen Abständen am White Horse Creek stattfanden, einiges mehr wusste. Jimi Little Wolf hatte Geheimnisse vor ihm. Geheimnisse waren okay, doch Lügen, die hasste Lukas. War schweigen dasselbe wie lügen?
    Er lauschte mit schief gelegtem Kopf und war sich sicher, das vertraute Motorengeräusch von Jimis Mustang im Tal zu hören. Vielleicht setzte er in diesem Moment sein Leben aufs Spiel. Bloß weil er den Kiesel des Häuptlings auf der Brust trug, glaubte er, dass ihm nichts passieren konnte. Manchmal war Jimi ein richtiger Kindskopf.
    Ghost hatte sich beruhigt und Lukas ließ ihn antraben. Zu Hause angekommen brachte er den Schecken auf die Koppel und nahm ihm das Zaumzeug ab. Black Arrow kam herbei und begrüßte sie beide mit einem leisen, erschöpften Schnauben. Lukas rieb Arrow den Hals und spürte, dass sein Fell schweißverklebt war. Vermutlich hatte Jimi den armen Kerl bei dem Rennen bis an die Schmerzgrenze gejagt.
    Lukas bedankte sich bei Ghost dafür, dass er ihn sicher nach Hause gebracht hatte, gab ihm eine Handvoll Hafer und lief hinüber zum Trailer. Im Flur hängte er das Zaumzeug an den Haken und ging zu dem Zimmer, das er seit vier Jahren mit Jimi bewohnte. Ihr Zimmer im Präsidentenpalast hatten sie für neue Pflegekinder geräumt. Nunpa und Marcus, die beiden Vierzehnjährigen, wohnten jetzt darin.
    Lukas war froh, dass sie im Trailer ihr eigenes Reich hatten, auch wenn er alt war. Bernadine kam so gut wie nie zu ihnen herüber und Lukas war auch nur selten im großen Haus. Irgendetwas sagte ihm, dass er dort nicht sonderlich willkommen war.
    Die Tür zu ihrem Zimmer war verschlossen. Lukas hatte Durst und ging in die Küche. Seine Schuhsohlen blieben auf dem löchrigen Linoleum kleben, irgendwer hatte etwas Klebriges verschüttet und es nicht für nötig gehalten, es aufzuwischen. Es roch nach Essensresten, die in der Hitze vergammelten. Irgendwo musste ein fauliger Apfel herumliegen. Die ganze Küche war ein Saustall, doch das überraschte ihn wenig. Nur gewöhnen würde er sich nie daran.
    Auf dem Weg zum Kühlschrank stolperte Lukas über einen Stuhl, den jemand mitten im Raum stehen gelassen hatte, und konnte sich gerade noch abfangen. Auf diese Weise hatte er die Ecke seines Schneidezahns verloren. Er mochte Roxie und

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