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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Ausweis zurück.
    »Warum trägst du deine Sonnenbrille eigentlich auch in Räumen?«, wollte sie als Nächstes wissen. »Ich meine, wenn du sie nicht aufhättest, würde niemand merken, dass du blind bist.«
    »Das ist ja das Problem.« Mit einem Seufzer steckte er den Ausweis wieder ein. »Wenn ich die Brille nicht aufhabe, passiert es manchmal, dass ich Leute ungewollt anstarre. Einmal habe ich deswegen ein paar auf die Nase bekommen und das Risiko will ich nicht mehr eingehen.«
    Obwohl er das gerade gesagt hatte, nahm er die Brille ab und hakte sie mit dem Bügel in den Halsausschnitt seines T-Shirts. Nima hatte die Sonnenbrille auch nicht gemocht, sie hatte seine Augen sehen wollen, wenn sie mit ihm sprach. Er hatte das nie verstanden. In seinen Augen gab es nichts zu lesen.
    Bevor Sim die nächste Frage stellen konnte, sagte er: »So, nun haben wir genug von mir und meinen Augen geredet. Jetzt bist du dran.«
    »Ich?«, fragte sie verwundert. »Was soll ich dir über mich erzählen?«
    »Was du anhast, zum Beispiel.«
    Sim schwieg einen Augenblick.
    »Ich dachte immer, Äußerlichkeiten sind nicht wichtig für dich.«
    »Weil ich blind bin?« Er gab sich Mühe, seine Augen auf die Quelle ihrer Stimme zu richten.
    »Nein, nur…« Sie verstummte.
    »Ich hätte gerne eine Vorstellung davon, wie du heute aussiehst. Ist das so abwegig?«
    »Na ja«, sagte sie. »Nein… eigentlich nicht.« Wieder schwieg sie und Lukas vermutete, dass sie an sich herunterschaute. »Orangefarbene Shorts mit blauen… Erdbeeren.« Sie holte tief Luft. »Grünes T-Shirt, limonengrün, mit aufgesticktem Spinnennetz und einer Spinne aus roten Pailletten.«
    »Pailletten?«
    »Kleine runde glitzernde Plättchen.«
    Sims Bild entstand vor Lukas’ innerem Auge und er grinste in sich hinein.
    »Ich hab mir das alles nur ausgedacht«, sagte sie hastig.
    »Hast du nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil ich höre, wenn jemand lügt.«
    »Okay«, Sim seufzte, »du hast gewonnen. Wahrscheinlich hast du jetzt eine ganz furchtbare Vorstellung von mir.«
    »Mir gefällt sie.«
    »Was auch immer du dir vorstellst«, sagte sie, »ist mit Sicherheit meilenweit von der Realität entfernt.«
    »Aber du hast dich doch selbst beschrieben. Zweifelst du an meinen Fähigkeiten?«
    »Ich habe dir meine Klamotten beschrieben, nicht mich.«
    Als Lukas merkte, dass die Unterhaltung ihn auf dünnes Eis führte, war es bereits zu spät.
    »Dass ich eine hässliche Narbe in der Oberlippe habe, hat Jimi dir vermutlich gleich am ersten Tag erzählt.«
    Ihre Stimme klang auf einmal verletzlich.
    Lukas nickte. Was sollte er sonst tun? Was sie sagte, traf die Wahrheit ziemlich auf den Punkt. Er hörte, wie Sim scharf die Luft einsog.
    »Was hat er noch gesagt?«
    »Dass du… na ja, dass du Storchenbeine hast und… winzige Titten.«
    Ein erstickter Laut kam aus ihrer Kehle und sie schwieg – bestimmt eine geschlagene Minute lang. Nicht mal ihr Atmen konnte Lukas noch ausmachen, dafür hörte er die Kohlensäure in seinem Becher sprudeln.
    Jimi bei einem Mädchen so bloßzustellen, das hatte er noch nie getan, er wusste selbst nicht, was in ihn gefahren war. Vielleicht wollte er, dass Sim sich über Jimi ärgerte.
    »Hey, bist du noch da?«
    Auf einmal schnappte Sims Hand nach seiner, und ehe er begriff, was das werden sollte, hatte sie seine Hand über den Tisch gezogen und auf ihre rechte Brust gelegt. So hastig, als hätte er sich verbrannt, riss er seine Hand zurück. Dabei stieß er seinen Becher um, das Wasser schwappte über die Tischkante und rann ihm in den Schritt, wo es vom Jeansstoff seiner Hose aufgesaugt wurde.
    »Das war unfair.«
    Der Abdruck ihrer wohlgeformten kleinen Brust brannte in seiner Handfläche. Sim trug keinen BH. In einer nassen Hose eine Erektion zu bekommen, war kein angenehmes Gefühl.
    »Genauso unfair wie Jimis Behauptung.«
    »Du hast recht.« Betreten schüttelte er den Kopf. »Mann, du schreckst wirklich vor gar nichts zurück, was? Bestimmt haben alle zugesehen.«
    »Mir ist egal, was die Leute denken«, sagte Sim trotzig.
    Jimi hatte ziemlich untertrieben, als er die Behauptung »winzig wie Mäusenasen« aufgestellt hatte. Schon vor langer Zeit war Lukas der Verdacht gekommen, dass Jimi ihm die Dinge so schilderte, wie er sie sah, nicht, wie sie wirklich waren. Vermutlich war auch Sims Narbe nicht so schrecklich, wie Jimi es ihm hatte weismachen wollen, und es war an der Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen.
    »Was

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