Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
Detektiv?«
»Was weißt du vom Bunker?«
»Was weißt du vom Mord?«
Julius schilderte, wie er die Leiche gefunden hatte. Die Zusammenarbeit mit von Reuschenberg verschwieg er.
»Und jetzt bist du neugierig …«
»Komm, mach’s nicht so spannend! Gab’s da was? Irgendwas, das mit dem Mord in Verbindung stehen könnte?«
Ein Kunde kam herein. Gebhardt bediente ihn und wartete, bis er wieder aus der Tür war, bevor er sich Julius zuwandte.
»Höchstens die Sache im Krieg.«
»Das ist die Brut der Natter / Die immer neu entstand / Philister und ihre Gevatter / Die machen groß Geschnatter / Im deutschen Vaterland.«
»Du immer mit deinem berühmten Ahnen.«
»Jetzt erzähl.«
»Hast du dich nicht mit dem Bunker beschäftigt?«
»Musste immer so viel kochen …«
Gebhardt blickte ihn vorwurfsvoll an. »Ein Mann deines Intellekts! Unwissend wie das kuschelige Tier mit den langen Ohren. Na ja, so ist das heute wohl. Über die Sache, die ich meine, wird aber auch nicht gern gesprochen. Am liebsten würde man das hier aus dem kollektiven Gedächtnis streichen.«
Obwohl Gebhardt seit Jahrzehnten im Ahrtal lebte, war er doch ein Immi, ein Immigrant, ein Zugezogener. Mittlerweile kultivierte er sein Außenseitertum und war dabei doch mehr Ahrtaler als viele, deren Familien seit Generationen hier siedelten. Dazu gehörte sein Einsatz für die Lokalgeschichte. Gebhardt hatte vor einiger Zeit einen Verlag gegründet, der Schriften zur Heimatkunde herausgab. Da musste erst einer von außerhalb kommen, um sich dafür zu interessieren, pflegte er zu klagen – und war insgeheim froh, dass er diese spannende Aufgabe hatte anpacken können.
»Während des Kriegs, also des Zweiten, wurde der Rosengarten, das war der Manövername für den Regierungsbunker, genutzt, um V1- und V2-Raketen zu montieren. Das Prekäre an der Sache ist, dass Dernau als Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald vermerkt war, passenderweise unter dem Namen ›Rebstock‹. Das ging aber wohl nur ein knappes halbes Jahr.« Gebhardt hob die Augenbrauen. »Das ist das dunkle Kapitel des Rosengartens.«
»Hast du eine Idee, wie das mit dem Mord zusammenhängen könnte?«
»Also, wenn ich meiner Phantasie freien Lauf lasse, könnte ich mir einen ehemaligen KZ -Insassen vorstellen, der sich an seinem alten Aufseher gerächt hat.«
Julius bleckte die Zähne. »Das wäre dann großes Kino.«
»Spielberg hätte seine Freude daran.« Gebhardt ging an ein Regal und zog ein Buch heraus, auf dem zwei große Buchstaben prangten, die als Autonummernschild in Deutschland verboten waren. »Grad könnte aber auch umgebracht worden sein, weil er über eine mögliche SS -Vergangenheit des Mörders Bescheid wusste und ihn erpresste.«
Gebhardt erntete ein Kopfschütteln.
»Du hast mich nach Ideen gefragt. Nicht nach wahrscheinlichen Szenarien. Was nach dem Krieg im Bunker alles unter strengster Geheimhaltung gelaufen ist, welche Leichen die da im Keller haben – keine Ahnung.«
»Hast du Adressen, die mir weiterhelfen könnten?«
»Unser Präsi vom Golfclub, Jochen Hessland, bestellt sich häufig Bücher, in denen die genauen Armeeaufstellungen während der Schlachten im Zweiten Weltkrieg stehen. Es gibt Gerüchte, er hätte was mit der Lagerleitung zu tun gehabt. Man kann in die Menschen nicht hineinblicken.«
»Das ist ein Tipp, der mich nicht sehr erfreut.« Es gab Spuren, denen folgte man besser nur, wenn es nicht anders ging. Hessland war einer der freundlichsten Menschen, die Julius kannte. Aber er war auch eine Prinzessin auf der Erbse. Kritik, egal wie vorsichtig sie ausgesprochen sein mochte, verstörte ihn, führte zum Abbruch der sozialen Beziehungen. Er war gesellschaftlich gesehen ein rohes Ei. Nicht der Typ für die Lagerleitung.
»Sag ihm bloß nicht, dass du das von mir hast!« Gebhardt legte noch eine Schippe in seinen Nervositätsofen nach.
Julius konnte die Hitze förmlich spüren. Aber er konnte Gebhardt beruhigen, Hessland würde warten müssen, die Spur schien Julius fürs Erste zu vage. Da es noch früh war, beschloss er stattdessen einer Fährte nachzugehen, die im anderen Deutschland verlief – in Germania Superior.
Die uralte Grenze war nicht zu sehen. Es gab keine römischen Zollhäuser, keine Kontrolleure, es gab keinen Wechsel der Architektur oder der Kleidung der Einwohner. Es gab nur den Vinxtbach, benannt nach dem lateinischen Ausdruck »ad fines«, denn hier verlief die Grenze zweier germanischer Provinzen
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