Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
Zehen sind abgefroren. Na!«
Julius hatte keine andere Reaktion erwartet. Zwar waren Franz-Xaver und er alte Freunde, und normalerweise war dieser zu allen Schandtaten bereit, aber im Grunde seines Herzens war er ein Angsthase. Mit flüssigem Stickstoff wollte er zumindest nichts zu tun haben.
»Du hast doch Handschuhe an! Und auf deine wertvollen Füße wirst du ja wohl noch achten können, oder?«
»Na, des mach ich net. Wie kalt hast noch mal gesagt, ist des?«
»Nur minus zweihundert Grad.«
Franz-Xaver sagte nichts mehr. Er nahm einen Teller, der etwas Weiß-Gelbes in Scheibenform aufwies.
»Zuerst dieses Mayonnaisen-Ei, wo der Maestro die Mayonnaise ohne Ei gemacht hat. Des ist ja schon eine Schnapsidee, und es schaut deppert aus in einem Sternerestaurant. Und jetzt dieses Pfirsichsorbet mit Stickstoff.«
»Es ist nicht mit Stickstoff. Es wird nur damit zubereitet. Je schneller ein Sorbet kristallisiert, desto kleiner werden die Kristalle. Und schneller als mit flüssigem Stickstoff geht es nicht – steht alles bei Hervé This-Benckhard.«
»Hör mir bloß auf mit diesem Franzosen!« Franz-Xaver nahm sich das Buch des Pariser Molekulargastronomen und ließ es demonstrativ in den Mülleimer fallen. »Was wissen die denn schon!«
Julius fischte das Druckwerk wieder heraus. »Immerhin waren es die Franzosen, die das Kochen zur Kunst erhoben haben – und nicht die Österreicher.«
»Aber von Nachspeisen haben’s keine Ahnung, die Wappler.«
Julius hatte sich fest vorgenommen, ein molekulargastronomisches Menü anzubieten. Und er würde ein molekulargastronomisches Menü anbieten.
Die Bücher von This-Benckhard hatte er von seinem Sinziger Kollegen Antoine Carême zu Weihnachten geschenkt bekommen und direkt verschlungen. Der Autor lehrte am Collège de France und untersuchte die physikalisch-chemischen Grundlagen der Kochkunst. This-Benckhard prüfte, ob alte Kochregeln stimmten und warum. Und wenn er konnte, stellte er neue auf. So die Mayonnaise ohne Ei oder das perfekte Sorbet mit Stickstoff. Wie schwer es sein würde, die Küchen- und Restaurantbrigade von diesen Ideen zu überzeugen veranschaulichte nun Franz-Xaver. Julius wusste, dass alle an einem Strang ziehen mussten, damit der Stern am Eingang der »Alten Eiche« auch hielt.
»Lieber Franz-Xaver, alter Freund und Kupferstecher, wenn du dich nicht in der Lage siehst, diesen Kniff im Restaurant am Tisch durchzuführen, dann werde ich es eben hier in der Küche erledigen. Ich werde also meine Hände, Füße und andere Körperteile der Gefahr aussetzen, damit mein österreichischer Oberkellner heil bleibt.«
» So ist’s recht! Und es heißt Maître d’hôtel – des weiß der Herr Chefkoch sehr wohl.«
Und der Herr Chefkoch wusste auch sehr wohl, dass es Franz-Xaver ärgerte, wenn er nicht entsprechend seines Ranges tituliert wurde. Franz-Xaver seinerseits wusste, wie sein Chef auf die Palme zu bringen war. Er demonstrierte dies nun.
»Eben hat übrigens deine Anverwandte, die Annemarie, angerufen. Ich hab ihr deine Handynummer gegeben. Ich war ehrlich überrascht, dass sie die net hatte.«
»Das hast du nicht wirklich gewagt?!« Julius hob das schmale Kochbuch über den Kopf, wurfbereit.
»So eine nette Frau, ein richtiges Prachtstück, die Annemarie. Ich hab ihr gesagt, sie sei hier jederzeit gern gesehen. Du würdest dich immer so freuen, wenn sie oder jemand anders aus der Familie vorbeischaut.«
Das Kochbuch flog.
» Verfehlt !«
»Ich glaub, mit diesem Messer ziele ich besser!« Julius zog einen Ausbeiner aus dem großen Messerblock.
»Ist ja schon gut, Maestro. Sie hat zwar angerufen, aber ich habe – dienstgeflissentlich wie immer – gelogen. Ich hab also meinen guten Ruf aufs Spiel gesetzt, um dir deine Ruhe zu sichern. Sie hat irgendwas von Kindernamen geredet und dass irgendein Bekannter irgendeine deiner Verwandtinnen auf die Idee gebracht hätte, französische Vornamen zu nehmen. Ich glaub, einer davon war Bertrand.«
»Ich bin nicht da. Ich bin ab jetzt nie mehr da.«
»Und ich werd ab jetzt nie wieder Stickstoff anrühren.«
»Abgemacht.«
Es klopfte am Hintereingang.
»Geh du lieber«, sagte Julius und verzog sich in den Kühlraum. Nach wenigen Sekunden wurde die Tür geöffnet.
»Ein Herr Hessland. Sagt, es sei dringend.«
Bevor Julius aus dem Kühlraum kommen konnte, war Jochen Hessland bereits drin. Und rückte ihm inmitten all der Fische, Meeresfrüchte und Fleischwaren auf die Pelle.
»Sind wir hier
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