Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
fast schwarz wirkten, was sie noch katzengleicher wirken ließ.
»Soll ich Sie auf den neuesten Stand bringen?«
»Deshalb bin ich hier.«
»Sie wissen ja, dass ich Ihnen all das nicht erzählen darf. Deshalb erzähle ich Ihnen jetzt auch nichts. Sie wissen von nichts und werden niemandem erzählen, was Sie nicht wissen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Ich auch nicht.«
Sie lächelten sich an. »Wir wollen aus ermittlungstaktischen Gründen die Morddetails noch nicht veröffentlichen. Ich fürchte aber, die Medien werden über kurz oder lang alles spitz kriegen. Es wissen einfach schon zu viele Leute davon. Aber jeder Tag hilft uns.«
Von Reuschenberg drückte ihm ein Foto in die Hand.
»Den Toten kennen Sie ja schon. Ein Heiliger. Im Kirchenvorstand der katholischen Gemeinde von Schalkenbach, einer der fleißigsten Spender bei Pfarrfest und Kollekte, setzte sich aktiv für die Jugend ein, indem er die Sommerfreizeiten der Messdiener plante und leitete. Und er hatte ein Herz für Tiere, fuhr sonntags immer ins Albert-Schweitzer-Tierheim nach Bonn und führte Hunde aus. Jeden Sonntag, immer um dieselbe Uhrzeit, Punkt zwei am Nachmittag.«
»Pünktlich wie ein Handwerker.«
»Sprichwörtlich.«
»Aber Alkoholiker.«
»Wie bitte?«
»Ja, dafür war er wohl bekannt.«
»Sichere Quelle?«
Julius überlegte nur kurz. »Sicherer geht es kaum.«
»Das werden wir überprüfen. Weiter im Text. Feinde: Keine.«
Julius umfuhr mit den Fingerspitzen das Bild des Mannes auf dem glatten Fotopapier. Das Gesicht hatte ebenso viele Lach- wie Sorgenfalten. Klaus Grad blickte gütig, wie der heilige St. Martin auf sakralen Bildern. Er hatte etwas Biblisches, Zeitloses. Was war sein Geheimnis? Wer tötete einen solchen Gutmenschen?
»Seine Tochter ist Lehrerin in Remagen. Sie ist zurzeit im Urlaub in der Schweiz. Auf der Bettmeralp, Ski fahren. Wir haben versucht, sie zu erreichen, aber bisher ohne Erfolg.« Von Reuschenberg reichte Julius ein weiteres Foto. »Wenn Sie Nahaufnahmen schätzen.«
Auf dem Bild war eine Blutlache zu sehen, wie ein Stempel darin der Abdruck eines Blazers. Die Leiche war auf den Rücken gedreht worden. Am oberen rechten Rand lugte Klaus Grads Kopf ins Bild. Sein Gesicht war verzerrt. Fast mittig auf der Stirn ein blutverkrustetes Einschussloch. Es sah aus wie ein Meteoritenkrater.
Von Reuschenberg deutete auf die Stelle. »Ein Schuss reichte. Ein guter Schuss. Grad war sofort tot.«
Julius kam Annemaries Vermutung ins Gedächtnis. »Hat er selbst …?«
»Nein. Er ist zweifelsohne ermordet worden. Keine Schmauchspuren an den Händen. Der Winkel wäre auch unmöglich. Und der Schuss wurde aus zu großer Distanz abgefeuert, der Schütze stand vermutlich ein bis zwei Meter entfernt.«
»Und wann …?«
»Als Sie die Leiche fanden, war Grad noch nicht lange tot. Deshalb konnte der Todeszeitpunkt auch genau ermittelt werden. Ich habe gerade erst mit unserem Gerichtsmediziner telefoniert.« Sie sah in ihr Notizbuch. »Grads Haut ging an einigen Stellen ins Lilafarbene und war wächsern, fast durchsichtig. Die Lippen waren blaugrau. Der Körper war aber noch warm und nicht steif. Schlussfolgerung: Klaus Grad war zum Zeitpunkt der Untersuchung ungefähr dreißig Minuten tot. Das heißt, als Sie ihn fanden, werden es etwa zehn Minuten gewesen sein. Übrigens haben nicht nur Sie weder Klaus Grad noch sonst irgendjemanden von der Gruppe weggehen sehen. Niemand hat etwas beobachtet.«
Von Reuschenberg machte eine Pause. Sie nahm Julius die Fotos aus der Hand und steckte sie in einen roten Aktenumschlag, den sie mit einem Knall auf den kleinen Klapptisch pfefferte. »All das würde mich nicht um den Schlaf bringen. Aber dass die Tür dieses Raums von innen verschlossen war, das kann ich einfach nicht begreifen. Es gab keinen Ausweg für den Mörder.«
»Keinen Hinterausgang?«
»Nein.«
»Einen Luftschacht?«
»Viel zu klein.«
»Ein Geheimgang?«
Von Reuschenberg sah ihn ein wenig wunderlich an. »Selbst das haben wir überprüft.«
»Und wie sieht es mit einer Falltür aus?«
»Nein, nein, nein, und auch nichts anderes. Aus einem Sarg gibt es mehr Fluchtmöglichkeiten als aus diesem Raum.«
Julius sagte zuerst nichts. Er ließ all dies sinken und spürte in diesem Moment die Stille im Ford Transit, als wäre sie eine bedrohliche Kreatur.
»Vielleicht hat der Mörder die Tür ja von außen abgeschlossen, und innen steckte nur ein weiterer Schlüssel?«
»Haben wir geprüft.
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